Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
niederschießen. Es zersplitterte den Stab, dessen Bruchstücke in Stichflammen verkohlten, auf den Lord herabhagelten. Dann griff das Feuer auf ihn selbst über, hüllte ihn ein, hing an ihm und züngelte wie eine Korona. Seine Arme sanken herab, sein Kopf sackte, die Augen geschlossen, nach vorn, bis das Kinn die Brust berührte; er hing im Feuer, als sei er darin eingeschreint.
»Und nun, Verement, Shetras Gemahl!« schrie Markschänder voller Triumph. »Wo ist nun dein Trotz?!« Für einen Moment erklomm sein Spott schrille Höhen und gellte von den Steinwänden wider. »Gebrochen, sehe ich«, ergänzte er dann. »Doch vernimm meine Worte, Hündlein. Mag sein, ich schenke dir das Leben. Freilich mußt du, um dein Leben zu retten, die Seite wechseln. Sprich mir nach! ›Ich verehre Lord Foul den Verächter. Er ist das eine Wort der Wahrheit.‹« Lord Verements Lippen blieben fest zusammengepreßt. Im Innern des lähmenden Feuers verkrampfte er seine Kiefer, daß an den Wangen die Muskeln hervortraten. »Sprich mir nach!« brüllte Markschänder. Mit einem ruckartigen Druck auf den Stein verengte er die Korona rings um Verement. Ein Keuchen der Qual spaltete die Lippen des Lords. Er begann zu sprechen.
»Ich ... verehre ...« Weiter kam er nicht. Hinter ihm tat Thomin einen Sprung durch die Luft, um seine letzte Pflicht zu erfüllen. Mit einem Tritt brach der Bluthüter Lord Verements Rückgrat. Der Lord war augenblicklich tot. Mörderischer Grimm kennzeichnete Thomins Miene, als er Markschänder erneut an die Gurgel hechtete. Diesmal erfolgte der Angriff des Bluthüters so schnell und hart, daß der Wütrich sich zu spät wehrte. Er packte Markschänder an der Kehle, grub seine Finger in den Hals des Riesen. Zunächst konnte der Riese ihn nicht abschütteln. Der Bluthüter krallte seine Finger mit so leidenschaftlichem Zorn in den dicken Hals, daß Markschänder den Griff nicht brechen konnte. Aber dann nahm der Wütrich seinen Stein zu Hilfe. Mit einem Hieb verbrannte er Thomins Knochen in seinem Innern zu Asche. Der Bluthüter brach als Haufen formlosen Fleisches zusammen. Anschließend machte Markschänder für eine Zeitlang den Eindruck, als verlöre er den Verstand. Er brüllte wie eine Sintflut und sprang und stampfte auf Thomins Leichnam herum, bis die blutigen Reste des Bluthüters vollauf in den Boden getreten waren, und danach schickte er die zahlreichen Horden seiner Wölfe mit Geheul in den Schlund des Unheilswinkels. Von seiner Wut angetrieben, rannten sie blindlings durch den Canyon und gerieten unweigerlich ins Warnwort.
Der erste Wolf, der ins Warnwort lief, löste es aus. Im selben Augenblick schienen die innerhalb der Wände aufgetürmten Stein- und Geröllmengen auseinanderzuspringen. Die von Verement darin gespeicherten Gewalten brachten die Abhänge des Hohlwegs zum Bersten. Ein tödlicher Hagel von Felsbrocken und Schieferplatten fiel in die Schlucht, zermalmte Tausende von Wölfen so schnell, daß ihre gesamte Zahl nur noch Zeit zu einem einzigen, gemeinsamen Aufjaulen des Schreckens erhielt.
Als sich der aufgewirbelte Staub verzog, konnte Markschänder erkennen, daß der Unheilswinkel nun blockiert war, zugeschüttet mit Gesteinsschutt und Geröll. Es mochte ein Heer Tage kosten, sich durch diese Trümmer zu kämpfen. Dieser Rückschlag flößte ihm anscheinend wieder geistige Klarheit ein. Die Gier nach Rache wich nicht aus seinen Augen, aber seine Stimme klang fest, als er seine Befehle gab. Er rief die Greifen nach vorn. In schwerfälligem Flug – wegen der Urbösen auf ihren Rücken – suchten sie die Schlucht auf, um Verements Warnwort zu beseitigen. Ihnen nach schickte Markschänder seine steinkundigen Höhlenschrate, damit sie dem Rest des Heers den Weg freiräumten. Unterm Zwang seiner Macht arbeiteten die Geschöpfe mit verzweifeltem, unüberlegtem Ungestüm. Viele Greifen kamen um, weil sie achtlos ins Warnwort flatterten. Dutzende von Höhlenschraten brachten sich in ihrem rasereiartigen Eifer, den Schutt aus dem Cañon zu räumen, gegenseitig ums Leben. Aber Urbösen-Lehrenkundige schafften es schließlich, das Warnwort aufzuheben. Und die Höhlenschrate vollbrachten ungeheure Leistungen. In ausreichender Zahl und mit genügend Zeit besaßen sie die Kraft und Geschicklichkeit zum Bergeversetzen. Sie wuchteten und stemmten Felsen und Steine. Sie arbeiteten die ganze folgende Nacht hindurch, und in der Morgendämmerung hatten sie in der Mitte des Hohlwegs auf dessen
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