Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
inneres Schreien nieder, die so machtvoll die Luft durchbebte und durchströmte, daß er sie nicht bloß mit den Ohren zu hören schien, sondern mit seiner gesamten Körperoberfläche.
»Närrin! Nimm Abstand!« Schwingungen der Qual troffen aus der Stimme. »Tu's nicht!«
»Kevin, vernimm meine Worte!« schrie Elena in aufgewühltem Tonfall zurück. »Du kannst dich mir nicht verweigern! Das Blut der Erde bezwingt dich. Ich habe dich auserwählt, auf daß du mein Gebot erfüllst. Kevin, komm!«
»Närrin!« wiederholte die gewaltige Stimme. »Du weißt nicht, was du betreibst!«
Aber im nächsten Augenblick widerfuhr der Umgebung innerhalb der Höhle eine heftige Veränderung, als habe sich nebenan eine Gruft von gleicher Größe geöffnet. Wogen von Pein brandeten durch die Luft. Covenant zuckte bei jeder einzelnen Wallung zusammen. Er raffte sich hoch, wo er hingestürzt war, und schaute auf.
Vor Elena stand in Umrissen aus fahlem Licht Kevin Landschmeißers Gespenst.
Es überragte sie – überragte sogar die Höhle selbst. In seiner riesenhaften Größe und Trostlosigkeit war es nicht innerhalb der Höhle, sondern durch den Fels sichtbar. Er erhob sich über Elena wie ein Bestandteil des Berggesteins. Sein Mund glich einer Felsspalte, die Augen waren voll von Nachwirkungen des Rituals der Schändung, und um seine Stirn war eine Binde geschlungen, als verhülle sie eine tödliche Wunde. »Gib mich frei!« stöhnte es. »Ich habe genug Unheil für eine Seele angerichtet.«
»Dann diene mir!« schrie Elena das Gespenst von neuem ekstatisch an. »Ich weiß dir ein Gebot zu erteilen, das jenes Unheil auszugleichen vermag. Du bist Kevin, Loriks Sohn, der das Land zerschmissen hat. Du hast die Verzweiflung in ihrem alleräußersten Maß kennengelernt, du hast den Kelch voller Galle bis zur Neige ausgekostet. Darin ist Wissen und Kraft, denen kein Lebender gleichkommt. Hoch-Lord Kevin, ich gebiete dir, ringe Lord Foul den Verächter nieder und zerschmeiß nun ihn! Vernichte Fangzahn den Reißer! Das gebiete ich dir bei der Macht des Erdbluts!«
Das Gespenst starrte sie entsetzt an und hob die Fäuste, als wolle es auf sie losdreschen. »Närrin!« wiederholte es in gräßlichem Ton.
Im nächsten Moment brachte eine Erschütterung, als schlüge die Pforte einer riesigen Gruft zu, die Höhle ins Wanken. Ein letztes Pulsen von Grauen suchte den Hoch-Lord und seine Begleitung heim, Elenas Flamme erlosch, als sei ihr Stab eine harmlose Kerze. Finsternis durchflutete die Höhle. Dann war Kevin fort.
Lange Zeit verstrich. Als Covenant sich wieder einigermaßen bei klarer Besinnung befand, blieb er für ein Weilchen auf Händen und Knien kauern, froh um die Dunkelheit, die geschrumpften Dimensionen der Höhle, das Verschwinden des Gespensts. Doch schließlich erinnerte er sich an Elena.
Er raffte sich auf. »Elena?« rief er, sobald er auf den Füßen stand. Er versuchte, sie mit seiner Stimme zu ertasten. »Komm, Elena! Wir verschwinden von hier.«
Zuerst erhielt er keine Antwort. Dann leuchtete erneut blaues Feuer auf, als Elena den Stab des Gesetzes entflammte. Sie saß am Boden wie ein Wrack. Als sie ihm ihr bleiches, erschlafftes Gesicht zuwandte, sah er, daß sie ihre Krise überwunden hatte. Die Erteilung des Gebots hatte ihre gesamte Kraft und Verzückung verzehrt. Covenant ging zu ihr, half ihr behutsam beim Aufstehen. »Komm mit!« sagte er nochmals. »Laß uns gehen!«
Matt schüttelte sie den Kopf. »Er hat mich eine Närrin geheißen«, sagte sie mit entkräfteter Stimme. »Was habe ich getan?«
»Ich hoffe, wir finden's niemals raus.« Unbeholfenes Mitgefühl machte seinen Tonfall unbeabsichtigt schroff. Er wollte sich um sie kümmern, aber er wußte nicht recht, wie. Um ihr Zeit und Ruhe zu lassen, damit sie sich ein wenig erhole, entfernte er sich zur Seite. Als er sich mißmutig in der Höhle umsah, bemerkte er Bannor, erkannte in der Miene des Bluthüters einen gelinden Ausdruck von Überraschung. Irgend etwas in diesem ungewohnten Gesichtsausdruck ließ Covenant ruckartig stutzen. Er hatte den Eindruck, daß diese Verblüffung ihm galt. »Das war Kevin, stimmt's?« forschte er nach, um irgendeine Erklärung zu bekommen.
Bannor nickte; aber der Ausdruck spekulativer Verwunderung blieb auf seinem Gesicht. »Na, wenigstens ist er nicht jener Bettler ... ich meine, wenigstens wissen wir jetzt, daß nicht Kevin mich für all das hier ausgeguckt hat.«
Bannors Miene änderte sich nicht im
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