Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Rhadhamaerl und gleichfalls Herdwart der Herrenhöh. Dunkelheit verdörrt das Herz. Wir bringen dir Licht.«
Während Borillar sprach, zeigte sich in Tohrms Miene ein Anflug von Sorge. »Bist du wohlauf, Ur-Lord?« fragte er.
»Wohlauf?« murmelte Covenant unsicher.
»Über deinen Brauen sieht man einen Sturm, und er bereitet dir Schmerzen. Soll ich einen Heiler rufen?«
»Was?«
»Ur-Lord Covenant, ich stehe in deiner Schuld. Mir ist berichtet worden, daß du unter Gefahr fürs eigene Leben meinen alten Freund Birinair vorm Wehrfeuer unterm Donnerberg gerettet hast. Das war eine heldenhafte Tat – wenngleich sie zu spät kam, um sein Leben zu bewahren. Zögere nicht, von mir zu fordern. Um Birinairs willen werde ich für dich alles tun, was in meiner Macht liegt.«
Covenant schüttelte den Kopf. Er wußte, daß er Tohrms Ansicht eigentlich richtigstellen müßte, ihm erklären, daß er sich in einem Akt versuchter Selbstzerstörung gegen das Feuer gewandt hatte, nicht um Birinair zu retten. Aber es fehlte ihm an Mut. Gleichgültig trat er zur Seite und ließ die beiden Herdwarte seine Räume betreten. Borillar machte sich unverzüglich daran, seine Fackeln zu verteilen und anzuzünden; er ging an den Wandhalterungen sehr umsichtig ans Werk, als wolle er einen guten, ernsthaften Eindruck erregen. Covenant sah ihm einen Moment lang zu.
»Der teure Borillar bringt dir ehrfürchtige Verehrung entgegen, Ur-Lord«, sagte Tohrm mit heimlichem Lächeln. »Schon an seiner Wiege hat er die Sagen um den Zweifler vernommen. Und er ist noch nicht lange Herdwart. Sein Vorgänger und Meister des Lillianrill -Wissens gab seine Stellung ab, um über die Fertigstellung der Güldenfahrt-Kiele und -Ruder zu wachen, die für die Riesen bestimmt sind, gemäß dem Wort von Hoch-Lord Lorik Übelzwinger. Borillar fühlt sich vorzeitig in hohe Verantwortlichkeit gedrängt. Mein alter Freund Birinair hätte ihn einen Welpen geheißen.«
»Er ist jung, ja«, erwiderte Covenant matt. Dann drehte er sich Tohrm zu und zwang sich zum Aussprechen dessen, was ihn am meisten beschäftigte. »Aber du ... du bist zu jung. Du müßtest älter sein. Vierzig Jahre älter.«
»Ur-Lord, neunundfünfzig Sommer habe ich gesehen. Einundvierzig von ihnen sind vorübergegangen, seit du mit dem Riesen Salzherz Schaumfolger nach Schwelgenstein kamst.«
»Aber du bist nicht alt genug. Du siehst aus, als seist du jetzt nicht älter als vierzig.«
»Ach«, meinte Tohrm und lächelte breit, »die nützlichen Dienste unserer Lehre und Schwelgenstein halten uns jung. Ohne uns lägen diese hehren, von Riesen geschaffenen Hallen im Dunkeln, und im Winter – um der Wahrheit die Ehre zu erweisen – im Kalten. Wer könnte in der Freude an solchem wie unserem Werk altern?« Wohlgelaunt entfernte er sich, stellte einen seiner Töpfe in den Wohnraum, das andere Gefäß ins Schlafzimmer. Als er jeweils den Deckel abnahm, vereinte sich der behagliche Schimmer des Glutgesteins mit dem Lichtschein der Fackeln und verlieh der Beleuchtung im Innern der Zimmerflucht eine reichere, freundlichere Atmosphäre. Tohrm atmete den Glutgesteinduft nach frisch aufgebrochenem Erdreich mit frohem Lächeln. Er beendete seine Tätigkeit, als soeben auch sein Begleiter im Schlafzimmer die letzte Fackel entfachte. Ehe Borillar ins Wohnzimmer zurückkam, trat der ältere Herdwart dicht neben Covenant. »Ur-Lord«, flüsterte er, »sag ein Wort zu dem guten Borillar. Er wüßte es zu schätzen.« Einen Moment später durchquerte Borillar das Zimmer und blieb linkisch an der Tür stehen. Er wirkte wie ein resoluter Meßdiener mit der festen Entschlossenheit, bei der Erfüllung einer anspruchsvollen Aufgabe keinesfalls zu versagen. Seine jugendliche Wichtignahme und Tohrms Bitte brachten Covenant schließlich dazu, ihm verlegen zu danken. »Vielen Dank, Allholzmeister.«
Sofort veränderte sichtliche Freude Borillars Miene. Er versuchte, seine amtliche Würde zu bewahren und sein breites Grinsen zu unterdrücken, aber die Sagengestalt, der Zweifler und Ring-Than, hatte leibhaftig mit ihm gesprochen, und davon fühlte er sich offenkundig überwältigt. »Sei willkommen, Ur-Lord Covenant«, platzte er heraus. »Du wirst das Land retten.« Infolge dieser Äußerung seines Herdwart-Kollegen ließ Tohrm belustigt die Brauen emporrutschen, verbeugte sich dann schwungvoll und launig vor Covenant und schob den jüngeren Herdwart hinaus. Beim Gehen wollte Tohrm die Tür schließen, unterließ es
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