Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
genügt,
und töte nicht, wo verstümmeln genügt,
denn der größte Krieger ist jener,
der des Tötens entsagen kann.‹
Überdies hast du Hoch-Lord Prothall einst darauf hinweisen hören, daß dem Lande mit Blutvergießen im Zorn nicht gedient werden könne. Damit rührte er ans Herz des Friedensschwurs. Wir gedenken alles zu unternehmen, was Macht oder Meisterschaft uns gestatten, um das Land wider die Bosheit zu verteidigen. Aber wir werden nichts tun – weder wider das Land, unsere Feinde oder uns selbst –, das uns von unserer Herzen schwarzen Leidenschaften eingeflüstert wird, das Schmerz oder Lust am Tode von uns fordern. Ist dir das nicht offensichtlich, Ur-Lord? Wenn wir kämpfen und, ja, töten müssen, dann besteht unsere einzige Verteidigung und Rechtfertigung darin, es so zu tun, daß wir nicht unseren Feinden gleichen. Hier hat Kevin Landschmeißer versagt – er war geschwächt durch Verzweiflung, die des Verächters Stärke ist. Nein, wir müssen kämpfen – und sei's nur, um uns daran zu hindern, tatenlos das Böse mitanzusehen, wie Kevin es duldete und dadurch vertan war. Doch sollten wir einander schädigen, das Land oder unsere Gegner hassen ... ach, nach dem Abend eines solchen Scheiterns täte keine neue Morgendämmerung anbrechen.«
»Das ist doch alles Sophistik.«
»Sophistik? Dies Wort kenne ich nicht.«
»Ausgeklügelte Haarspaltereien, mit denen man begründet, was man ohnehin schon zu tun beschlossen hat. Rationalisierungen. Krieg im Namen des Friedens. Als ob ihr, wenn ihr das Schwert in einen Feind stecht, nicht genauso gewöhnliches Fleisch aufschlitzt, nicht ebenso Blut eines Wesens vergießt, das soviel Recht wie ihr auf Leben hat.«
»So glaubst du wahrlich, es sei kein Unterschied zwischen einem Kampf zum Verderben und einem Kampf zur Errettung des Landes?«
»Unterschied? Wie sollte einer zustande kommen? Töten ist Töten. Aber was soll's? Vergiß das ebenfalls! Du machst deine Sache zu gut. Wenn ich keine größeren Löcher in deine Argumentation reißen kann, werde ich zu guter Letzt ...« Seine Hände fingen merklich an zu zittern, und er entfernte sie ruckartig aus dem Blickfeld, schob sie unter den Tisch. »Ich werde erfrieren, das werde ich.«
Covenant lehnte sich auf seinem Sitz schlaff zurück und verfiel in wehmütiges Schweigen. Mhoram spürte, wie zwischen ihnen Spannungen entstanden, und entschied, daß es nun an ihm sei, Fragen zu stellen. Bei sich sagte er die Sieben Worte auf. »Du bist aufgewühlt, mein Freund«, sagte er dann umgänglich. »Dem Hoch-Lord läßt sich schwer widerstehen, nicht wahr?«
»So?« entgegnete Covenant barsch. Im nächsten Moment stöhnte er auf. »Ja. Ja, stimmt. Aber das ist es nicht. Dem ganzen Land ist schwer zu widerstehen. Das hab' ich vom Anfang an so empfunden. Das ist es nicht.« Er legte eine verkrampfte Gesprächspause ein. »Weißt du«, fügte er dann hinzu, »was sie gestern mit mir gemacht hat? Sie hat mich in die Hochebene zu dem Freischüler gebracht ... dem Mann, der behauptet, Träume zu verstehen. Ich war einen Tag lang bei ihm – oder länger. Aber du bist ja hier der Seher und das Orakel ... ich brauche dir nichts von ihm zu erzählen. Wahrscheinlich warst du schon häufiger droben bei ihm als jeder andere, weil's nicht anders ging, und wenn nur, weil normale menschliche Ohren bloß soundsoviel an Verachtung und Gelächter hören können und nicht mehr, ganz egal, ob im Schlafen oder Wachen. Du wirst wissen, wie's zugeht. Du weißt, wie er einen mit seinen Augen bannt und niederhält, auseinandernimmt ... aber du bist ja Seher und Orakel. Wahrscheinlich weißt du sogar, was er mir gesagt hat.«
»Nein«, widersprach Mhoram gelassen.
»Er hat zu mir gesagt ... Hölle und Verdammung!« Covenant schüttelte den Kopf, als müsse er Wasser aus seinen Augen entfernen. »Er hat gesagt, daß ich die Wahrheit träume. Er hat gesagt, ich habe sehr viel Glück. Er sagte, Menschen mit solchen Träumen sind die wahren Feinde der Bosheit ... nicht das Gesetz ist dessen Gegner, der Stab des Gesetzes ist nicht gemacht worden, um damit Foul zu bekämpfen – nein, wilde Magie und Träume sind der Gegensatz zur Bosheit.« Für einen Moment schien die Luft rings um ihn von Schwingungen der Entrüstung erfüllt zu sein. »Außerdem hat er gesagt, daß ich daran Unglauben hege. Das war eine große Hilfe. Ich wüßte bloß noch gern, ob ich nun ein Held bin oder ein Feigling. Nein, gib darauf keine Antwort. Sie
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