Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
daß ich eine nach der anderen der Gewohnheiten ablege, die mich am Leben erhalten sollen. Das ist Traumtherapie.« Doch urplötzlich verzerrte eine Grimasse von Qual sein Gesicht. »Hölle und Verdammnis!« stieß er heiser und mit inbrünstigem Nachdruck hervor. »Das klingt wie eine Geschichte, die ich verbrannt habe ... als ich noch Geschichten verbrannte ... als ich noch Geschichten zum Verbrennen hatte.« Mhoram bemerkte die qualvolle Veränderung in Covenants Tonfall, das Staubwerden, und erhob sich, um seinem Gast eine tröstende Hand hinzustrecken. Doch er brauchte sich nicht von seinem Platz zu entfernen; Covenant kam zu ihm herüber, fast ziellos, als habe er innerhalb dieser vier Wände die Richtung verloren. Am Tisch blieb er in Mhorams Nähe stehen und betrachtete kummervoll das Krill . »Ich glaub's nicht.« Seine Stimme zitterte. »Das ist bloß wieder ein leichter Weg in den Tod. Davon kenne ich schon zu viele.« Er schien zu wanken, obwohl er reglos dastand. Er schlurfte vorwärts und stützte sich auf Mhorams Schulter. Einen Moment lang klammerte er sich an ihn, drückte sein Gesicht in Mhorams Robe. Mhoram half ihm beim Setzen.
»Ach, mein Freund, wie soll ich dir beistehen? Ich vermag dich nicht zu begreifen.«
Covenants Lippen bebten, aber er gewann, obwohl mit sichtbarer Anstrengung, seine Selbstbeherrschung zurück. »Ich bin nur müde. Ich habe seit gestern nichts gegessen. Der Freischüler ... hat mich Kräfte gekostet. Etwas Eßbares wäre mir jetzt ganz recht.«
Die Gelegenheit, etwas für Covenant tun zu können, bereitete Mhoram ein Gefühl der Erleichterung. Sofort reichte er seinem Besucher eine Flasche mit Frühjahrswein. Covenant trank, als versuche er eine innere Wüste zu bewässern, und Mhoram betrat seine hinteren Zimmer, um etwas zum Essen zu holen. Während er Brot, Käse und Trauben in eine Schale legte, hörte er einen durchdringenden, entfernten Schrei; eine Stimme rief seinen Namen mit mehr Dringlichkeit, als seinem Herzen wohltat. Er stellte die Schale ab und eilte zur Tür seiner Gemächer, schwang sie weit auf. In der Helligkeit, die plötzlich aus dem Innenhof eindrang, sah er in einem der Erker hoch über sich einen Krieger stehen. Der Krieger war ein junger Mann – zu jung, um auf dem Schlachtfeld zu sterben, befand Mhoram grimmig – und war völlig außer sich geraten. »Lord Mhoram!« platzte er beim Anblick des Lords heraus. »Komm! Sofort! In die Klause!«
»Schweig!« Die Autorität in Mhorams Tonfall wirkte auf den jungen Mann wie eine Ohrfeige. Er zuckte zusammen und nahm annäherungsweise Haltung an, hielt einen chaotischen Tumult von Worten zurück. Dann errang er seine Selbstbeherrschung wieder. »Ich höre«, sagte der Lord nachsichtiger, als er das sah. »Sprich!«
»Der Hoch-Lord ersucht, du mögest sogleich in die Klause kommen. Aus den Ebenen von Ra ist ein Bote eingetroffen. Der Graue Schlächter marschiert.«
»Der Krieg ist da?« fragte Lord Mhoram gedämpft. »Ja, Lord Mhoram.«
»Ich bitte dich, sage dem Hoch-Lord, daß ... daß ich deine Nachricht vernommen habe.« Indem er sorgsam Fassung bewahrte, drehte sich Mhoram nach Covenant um. Der Zweifler erwiderte seinen Blick aus heißen, verdrehten Augen, als wolle ihm der Schädel zwischen den Brauen platzen. »Wirst du mitkommen?« fragte Mhoram bloß.
Covenant hielt dem Blick des Lords stand. »Sag mir eines, Mhoram. Wie bist du entwischt, als dich der Wütrich packte ... bei Fouls Hort?«
Mhoram antwortete mit bewußter Ernsthaftigkeit, weigerte sich, etwas von jenem Schrecken hier wiederzugeben; sein Ernst schlug sich in seinen goldfleckigen Augen wie eine Drohung nieder. »Die Bluthüter, die mich begleiteten, kamen ums Leben. Aber als der Wütrich Samadhi mich anrührte, erkannte er mich, so wie ich ihn erkannte. Er verzagte.«
Einen Moment lang regte Covenant sich nicht. Dann senkte er seinen Blick. Matt stellte er die Steingutflasche auf den Tisch und schob sie fort, bis sie an das Krill stieß. Flüchtig zupfte er an seinem Bart, bevor er aufstand, sich mühsam hochraffte. Für Mhoram sah er aus wie eine dünne, von heruntergeronnenem Wachs verklebte Kerze – zerfurcht, zerbrechlich, wesenlos. »Ja«, sagte er. »Elena hat mich das gleiche gefragt. Was dabei auch herauskommen mag, ich gehe mit.« Schwerfällig schlurfte er hinaus auf den scheinbar glühenden Boden des Innenhofs.
2. TEIL
Der
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