Der siebte Schrein
Dieser Bär hat nie ein Gewehr auf mich gerichtet.«
»Ich bin ein toter Mann«, flüsterte Davy. Das Grinsen verschwand von seinem Gesicht. Er neigte den Kopf, kippte vorwärts auf den Boden, rollte sich auf dem Boden zusammen und wartete darauf, daß er getötet werden würde.
Aber dazu kam es nicht. Der Bär kam zu ihm, stieß ihn mit der Nase an, schnupperte ihn von Kopf bis Fuß ab, rollte ihn hin und her und achtete nicht auf die leise wimmernden Geräusche, die Davy von sich gab. Dann legte sich der Bär neben dem Mann hin, legte eine Pfote über ihn und döste auf der Stelle ein.
Davy lag fassungslos da und konnte es nicht glauben, obwohl er trotz seiner Angst wieder Hoffnung schöpfte. Wenn er nur noch ein wenig länger wach bleiben konnte.
Entweder hatte der Bär im Sommer einen leichten Schlaf, oder Davy handelte zu schnell, denn kaum tastete er mit der Hand nach dem Messer, da war der Bär hellwach und schlug Davy mehr oder weniger verspielt auf die Hand.
»Zeit zu schlafen«, sagte Alvin. »Sie haben es sich verdient, der Bär hat es sich verdient, und morgen früh wird alles gleich viel besser aussehen.«
»Was wird aus mir?« fragte Davy.
»Glauben Sie nicht, daß das mehr oder weniger von dem Bären abhängt?«
»Sie haben ihn irgendwie unter Kontrolle«, sagte Davy. »Das ist alles Ihr Werk.«
»Er hat sich selbst unter Kontrolle«, sagte Alvin, der darauf achtete, die zweite Behauptung nicht zu leugnen, weil sie der Wahrheit entsprach. »Und er hat Sie unter Kontrolle. Denn nur darum geht es bei dieser Grinserei - wer der Herr und Meister ist. Nun, hier ist der Bär der Meister, und ich denke, morgen werden wir herausfinden, was Bären mit gezähmten Menschen anstellen.«
Davy fing an, ein Gebet zu murmeln.
Der Bär legte Davy eine schwere Pfote auf den Mund.
»Genug gebetet«, intonierte Alvin. »Die Sonne ist gegangen. Schatten kriechen. Laß dich vom Schlaf umfangen.«
Und so kam es, daß Alvin zwei Freunde mitbrachte, als er nach Westville zurückkehrte - Davy Crockett und einen großen, alten Grizzlybären. Oh, die Leute erschraken, als der Bär in die Stadt kam, und rannten ihre Gewehre holen, aber der Bär grinste sie einfach nur an, und niemand schoß. Und als der Bär Davy einen kleinen Schubs gab, nun, da trat der einfach vor und sprach ein paar Worte. »Mein Freund hier beherrscht die amerikanische Sprache nicht besonders gut«, sagte Davy, »aber es wäre ihm lieb, wenn ihr alle die Gewehre wegtun und nicht auf ihn richten würdet. Außerdem würde er sich über eine Schüssel Maisbrei oder einen Teller Maisbrot freuen, wenn ihr etwas erübrigen könnt.«
Nun, der Bär fraß sich unverfroren durch ganz Westville und nahm an Festessen teil, ohne auch nur eine Pfote zu rühren, es sei denn, um Davy Crockett zu schubsen. Und die Leute störten sich nicht einmal daran, so ein göttlicher Anblick war es, einen Mann zu sehen, der einem Bären Brei und Maisbrot servierte. Und das war längst nicht alles. Davy Crockett verbrachte eine ganze Weile damit, dem Bären Kletten aus dem Fell zu zupfen, besonders im Bereich des Hinterteils, und dem Bären vorzusingen, wenn er mit hoher Stimme gurrte. Davy sang so gut wie jedes Lied, das er je gehört hatte, auch wenn er es nur einmal gehört hatte oder nicht einmal das ganze verdammte Stück kannte, denn nichts ruft Erinnerungen an Melodien und Texte besser ins Gedächtnis als ein dreieinhalb Meter großer Bär, der dich schubst und winselt, damit du singst, und wenn Davy sich ums Verrecken nicht erinnern konnte, dann erfand er eben selbst etwas, und da der Bär nicht besonders anspruchsvoll war, war das Lied fast immer gut genug.
Was nun Alvin anging, der ließ sich ab und zu mal sehen und bat Davy, doch zu erzählen, ob es wahr sei, daß Alvin ein Einbrecher und pflugstehlender Lehrling wäre, und jedesmal sagte Davy, nein, das sei nicht wahr, es sei frei erfunden, weil Davy wütend auf Alvin gewesen sei und es ihm heimzahlen wollte. Und jedesmal, wenn Davy solchermaßen die Wahrheit sagte, knurrte der Bär beifällig und strich Davy mit seiner kräftigen alten Pfote über den Rücken, und Davy war gerade tapfer genug, das zu erdulden, ohne sich groß naß zu machen.
Erst als sie die ganze Stadt und einige außerhalb gelegene Häuser hinter sich gebracht hatten, kamen sie zur Mühle, wo die Pferde sich erwartungsgemäß ein wenig über die Anwesenheit eines Bären beklagten. Aber Alvin sprach mit jedem einzelnen und beruhigte es,
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