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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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weniger bekommen soll. Ziehen wir den Wagen zurück und wiegen ihn noch einmal.«
    Rack wollte gerade wieder Einwände vorbringen, als Alvin sagte: »Es sei denn, es stimmt etwas nicht mit der Waage. Aber es kann nicht sein, daß etwas mit der Waage nicht stimmt, oder?«
    Rack wurde blaß im Gesicht. Er konnte ja schlecht gestehen. »Alles in Ordnung mit der Waage«, knurrte er grimmig.
    »Dann lassen Sie uns diesen Wagen wiegen und feststellen, ob das Gewicht meines Jungen etwas ausgemacht hat.«
    Nun, Sie können es sich schon denken. Kaum stand der Wagen auf der Plattform, zeigte die Waage fast hundert Pfund weniger an als beim erstenmal. Die anderen Zeugen waren verblüfft. »Hätte schwören können, daß der Junge nicht auf der Waage gestanden hat«, sagte einer. Ein anderer sagte: »Ich hätte mir nie träumen lassen, daß der Junge hundert Pfund wiegt.«
    »Schwere Knochen«, sagte Alvin.
    »Nein, Sir, mein Gehirn ist so schwer«, sagte Arthur Stuart, was ihm eine Runde Gelächter einbrachte.
    Und Rack, der sich bemühte, das Gesicht nicht zu verlieren, flötete dazwischen: »Nein, es ist das Essen, das er an meinem Tisch gegessen hat - das allein macht gute fünfzehn Pfund aus!«
    Derweil aber bekam der Farmer die Differenz von hundert Pfund gutgeschrieben.
    Der nächste Wagen, der auf die Plattform kam, war voll, das Maß jedoch auf schwerer eingestellt. Vergeblich versuchte Rack, das Wiegen zu vertagen - Alvin bot ihm einfach an, an seiner Stelle weiterzumachen, und die Farmer sollten bezeugen, daß er alles richtig aufschrieb. »Sie wollen doch nicht, daß diese Männer noch einen weiteren Tag warten müssen, um ihren Mais für den Markt zu verkaufen, oder?« sagte Alvin. »Wiegen wir alles!«
    Und sie wogen alles, dreißig Wagen, bis der Tag zu Ende ging, und die Farmer unterhielten sich alle untereinander, was für eine gute Maisernte sie dieses Jahr hatten, die Kolben schwerer als sonst. Arthur Stuart hörte einen Mann murren, daß sein Wagen dieses Jahr leichter zu sein schien als letztes Jahr, doch da ergriff Arthur sofort laut genug das Wort, daß alle es hören konnten. »Es spielt keine Rolle, ob die Waage leichter oder schwerer wiegt - auf die Differenz zwischen Voll- und Leergewicht kommt es an, und solange es sich um dieselbe Waage handelt, ist die korrekt.« Die Farmer dachten darüber nach und fanden, daß es sich einleuchtend anhörte, und Rack konnte es ihnen ja schlecht erklären.
    Arthur Stuart rechnete alles im Kopf zusammen und kam zu dem Ergebnis, daß Alvin nicht alles ins rechte Lot gebracht hatte. Im Gegenteil, dieses Jahr wurde Rack im großen Maßstab über den Tisch gezogen, weil er den Farmern Beträge gutschreiben mußte, die deutlich über den Mengen Mais lagen, die sie tatsächlich ablieferten. Einen Tag konnte er solche Verluste verschmerzen; und bis morgen, das wußte Alvin sowohl wie Arthur, würde Rack die Wage wieder auf ihr reguläres Muster eingestellt haben: leichter bei vollen Wagen, schwerer bei leeren.
    Dennoch verabschiedeten sich Alvin und Arthur fröhlich von Rack und machten nicht einmal eine Bemerkung darüber, wie eilig er es zu haben schien, sie loszuwerden.
     
    In dieser Nacht konnte man Rack Millers Laterne über den Hof zwischen seinem Haus und der Mühle wackeln sehen. Er machte die Tür der Mühle hinter sich zu und näherte sich der Falltür, die zum Mechanismus der Waage hinunterführte. Aber zu seiner Überraschung lag etwas auf der Falltür. Ein Bär. Und im Schlaf an den Bären gekuschelt, der sich fast um ihn herumgewickelt hatte, lag Davy Crockett.
    »Ich hoffe, es stört Sie nicht«, sagte Davy, »aber dieser Bär hier hat es sich in den Kopf gesetzt, genau an dieser Stelle zu schlafen, und ich gedenke nicht, ihm zu widersprechen.«
    »Aber das kann er nicht, das ist nun mal so«, sagte der Müller.
    »Sagen Sie ihm das«, entgegnete Davy. »Auf meinen Rat will er einfach nicht hören.«
    Der Müller tobte und brüllte, aber der Bär beachtete ihn einfach nicht. Rack holte sich einen langen Stock und pikste den Bären damit, aber der Bär schlug nur ein Auge auf, hieb Rack den Stock aus der Hand, nahm den Stock ins Maul und biß stückweise daran ab wie an einer Salzstange. Rack Miller drohte, daß er mit einem Gewehr wiederkommen würde, aber da zog Davy sein Messer. »Dann müßten Sie mich zusammen mit dem Bären töten«, sagte er, »denn wenn Sie ihm ein Leid zufügen, werde ich Sie ausweiden wie eine Weihnachtsgans.«
    »Ich komme Ihrem

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