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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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die Beine des bewußtlosen Mannes zu bewegen, ohne sich zu bewegen . . . weil sich das bewegte, was auf ihnen war. Die haarigen Schienbeine, Knöchel und Füße des Mannes ragten unter dem Saum seines Nachthemds hervor. Eine schwarze Welle von Käfern glitt an ihnen entlang. Sie zirpten heftig, wie eine Kolonne, die beim Marschieren singt.
    Roland erinnerte sich an die schwarze Narbe auf Wange und Nase des Mannes - die Narbe, die verschwunden war. Das waren natürlich auch solche Käfer gewesen. Und sie waren auch auf ihm. So konnte er zittern, ohne zu zittern. Sie waren überall auf seinem Rücken. Labten sich an ihm.
    Nein, es war nicht so leicht, wie er gedacht hatte, einen Schrei zu unterdrücken.
    Die Käfer liefen zu den Zehenspitzen des schwebenden Mannes und sprangen in Wellen von ihm herunter wie Geschöpfe, die von einem Ufer in einen Tümpel sprangen. Sie sammelten sich rasch und unproblematisch auf dem blütenweißen Laken darunter und marschierten als rund dreißig Zentimeter breites Bataillon auf den Boden hinunter. Roland konnte sie nicht richtig sehen, die Entfernung war zu groß und das Licht zu schwach, dachte aber, daß sie ungefähr doppelt so groß wie Ameisen waren und etwas kleiner als die dicken Honigbienen, die zu Hause über die Blumenbeete geschwirrt waren.
    Sie sangen, während sie marschierten.
    Der bärtige Mann sang nicht. Als die Schwärme der Käfer, die seine verkrümmten Beine bedeckt hatten, sich zurückzogen, erschauerte er und stöhnte. Die junge Frau legte ihm die Hand auf die Stirn und tröstete ihn, was Roland trotz des Ekels, den er empfand, ein wenig eifersüchtig machte.
    Aber war das, was er sah, wirklich so gräßlich? In Gilead waren Egel bei gewissen Leiden zur Anwendung gekommen - vorwiegend bei Schwellungen am Gehirn, an Achselhöhlen und Lenden. Was das Gehirn betraf, waren die Egel, so häßlich sie waren, unbedingt der nächsten Stufe vorzuziehen, die in einer Schädelbohrung bestand.
    Und doch hatten sie etwas Abstoßendes an sich, vielleicht nur, weil er sie nicht sehen konnte und es schrecklich war, sich vorzustellen, daß sie über seinen ganzen Rücken wuselten, während er hier hilflos hing. Aber nicht sangen. Warum nicht? Weil sie fraßen? Schliefen? Beides gleichzeitig?
    Das Stöhnen des bärtigen Mannes klang ab. Die Käfer marschierten auf dem Boden zu einer der sanft wallenden Seidenwände. Roland verlor ihre Spur in den Schatten.
    Jenna kam mit besorgten Blicken zu ihm zurück. »Hast dich gut gehalten. Aber ich sehe, wie du dich fühlst; es steht dir im Gesicht geschrieben.«
    »Die Ärzte«, sagte er.
    »Ja. Ihre Macht ist sehr groß, aber . . .« Sie senkte die Stimme. »Ich fürchte, dem Alten können sie nicht mehr helfen. Seine Beine sind ein bißchen besser, und die Wunden in seinem Gesicht sind fast verheilt, aber er hat Verletzungen, wo die Ärzte nicht hinkommen.« Sie strich mit einer Hand über ihre Leibesmitte, womit sie die verletzten Stellen andeutete, wenn schon nicht die Art der Verletzungen.
    »Und ich?« fragte Roland.
    »Bist vom grünen Volk geschnappt worden«, sagte sie. »Mußt sie mächtig geärgert haben, daß sie dich nicht gleich getötet haben. Statt dessen haben sie dich mit Seilen gefesselt und verschleppt. Tamra, Michela und Louise waren draußen und haben Krauter gesammelt. Sie haben gesehen, wie das grüne Volk mit dir gespielt hat, und ihm Einhalt geboten, aber -«
    »Machen die Muties immer, was ihr sagt, Schwester Jenna?«
    Sie lächelte, vielleicht weil sie sich freute, daß er sich an ihren Namen erinnerte. »Nicht immer, aber meistens. Diesmal haben sie es, sonst hättest du schon deine Lichtung am Ende des Weges gefunden.«
    »Das nehme ich an.«
    »Die Haut auf deinem Rücken war fast völlig abgezogen - rot warst du vom Nacken bis zur Taille. Die Narben wirst du immer tragen, aber die Ärzte haben dich schon gut wiederhergestellt. Und ihr Gesang ist recht schön, oder nicht?«
    »Ja«, sagte Roland, aber der Gedanke, daß diese schwarzen Biester über seinen Rücken krabbelten und auf seinem rohen Fleisch saßen, stieß ihn immer noch ab. »Ich schulde dir Dank und spreche ihn freimütig aus. Wenn ich etwas für dich tun kann -«
    »Dann sag mir deinen Namen. Tu das.«
    »Ich bin Roland von Gilead. Ein Revolvermann. Ich hatte Revolver, Schwester Jenna. Hast du sie gesehen?«
    »Ich habe keine Schießeisen gesehen«, sagte sie, wandte aber den Blick ab. Die Rosen erblühten wieder auf ihren Wangen. Sie mochte

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