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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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als nächstes tun mußte. Auf dem Hof packte er einen der Stallburschen am Wickel. »Ich muß mit Lord Ashfords Stallmeister sprechen.«
    »Ich werde ihn für Euch suchen.«
    In den Ställen war es kühl und halbdunkel. Ein unruhiger grauer Hengst schnappte im Vorbeigehen nach ihm, aber Leichtfuß wieherte nur leise und knabberte an seiner Hand, als er sie ihr an die Nüstern hielt. »Bist ein braves Mädchen, was?« flüsterte er. Der alte Mann hatte immer gesagt, daß ein Ritter sein Pferd niemals zu gern haben sollte, da mehr als nur ein paar unter ihm sterben würden, aber auch er selbst hatte sich nie an seinen Rat gehalten. Dunk hatte oft gesehen, wie er seine letzte Kupfermünze für einen Apfel für den alten Braunen oder Hafer für Leichtfuß und Donner ausgegeben hatte. Die Stute war Ser Arlans Reitpferd gewesen, und sie hatte ihn unermüdlich Tausende von Meilen getragen, kreuz und quer durch die ganzen Sieben Königreiche. Dunk kam sich vor, als würde er einen alten Freund verraten, aber hatte er eine andere Wahl? Der Braune war so alt, daß er kaum mehr etwas wert war, Donner mußte ihn also im Turnier tragen.
    Es verging einige Zeit, bis der Stallmeister sich herabließ, zu erscheinen. Während er wartete, hörte Dunk einen Fanfarenstoß von den Mauern und eine Stimme auf dem Hof. Neugierig führte er Leichtfuß zur Stalltür, um nachzusehen, was vor sich ging. Eine große Gruppe von Rittern und berittenen Bogenschützen strömte zum Tor herein, mindestens hundert Mann, die einige der prachtvollsten Pferde ritten, die Dunk je gesehen hatte. Ein bedeutender Lord ist eingetroffen. Er packte einen vorübereilenden Stallburschen am Arm. »Wer sind die?«
    Der Junge sah ihn seltsam an. »Könnt Ihr die Banner nicht sehen?«
    Die Banner . . . Als Dunk sich umdrehte, hob ein Windstoß den schwarzen Seidenwimpel auf dem hohen Stab, worauf der wütende dreiköpfige Drache des Hauses Targaryen die Schwingen zu spreizen und scharlachrotes Feuer zu spucken schien. Der Bannerträger war ein hochgewachsener Ritter in weißer Schuppenrüstung mit Goldverzierungen, von dessen Schultern ein blütenweißer Mantel herabfiel. Zwei weitere Reiter waren ebenfalls von Kopf bis Fuß in weiße Rüstungen gekleidet. Ritter der Königsgarde mit dem königlichen Banner. Kein Wunder, daß Lord Ashford und seine Söhne aus den Türen der Festung gerannt kamen, und die schöne Maid ebenfalls, ein kleines Mädchen mit blondem Haar und einem runden, rosigen Gesicht. Mir kommt sie gar nicht so schön vor, dachte Dunk. Die Puppenspielerin war hübscher.
    »Junge, laß diese Mähre da los, und kümmere dich um mein Pferd.«
    Ein Reiter war vor den Ställen abgestiegen. Er redet mit mir, wurde Dunk klar. »Ich bin kein Stallbursche, m´Lord.«
    »Nicht schlau genug?« Der Sprecher trug einen schwarzen, mit scharlachrotem Satin gefütterten Mantel, aber darunter ein Gewand so leuchtend wie Feuer, ganz in Rot und Gelb und Gold. Er war etwa in Dunks Alter, schlank und gerade wie ein Dolch, aber nur mittelgroß. Locken silber-goldenen Haares umrahmten sein feingeschnittenes und anmaßendes Gesicht; hohe Stirn und vorstehende Wangenknochen, gerade Nase, blasse, glatte Haut ohne Makel. Seine Augen hatten eine dunkelviolette Farbe. »Wenn du nicht mit einem Pferd umgehen kannst, bring mir etwas Wein und eine hübsche Dirne.«
    »Ich . . . Pardon, m´Lord, ich bin auch kein Bediensteter. Ich habe die Ehre, ein Ritter zu sein.«
    »Traurige Zeiten sind für den Ritterstand angebrochen«, sagte der junge Prinz, aber dann kam einer der Stallburschen gelaufen, und er wandte sich ab und gab ihm die Zügel seines Zelters, eines prachtvollen Vollbluts. Dunk war im Handumdrehen vergessen. Erleichtert schlich er in den Stall zurück, um auf den Stallmeister zu warten. In unmittelbarer Nähe der Lords in ihren Zelten fühlte er sich unwohl genug, und es stand ihm nicht zu, mit Prinzen zu sprechen.
    Daß das wunderschöne Bürschchen ein Prinz war, daran bestand kein Zweifel für ihn. In den Adern der Targaryen floß das Blut des verlorenen Valyria jenseits des Meeres, ihr silber-goldenes Haar und die violetten Augen unterschieden sie von gewöhnlichen Menschen. Dunk wußte, daß Prinz Baelor älter war, aber der Junge hätte gut und gerne einer seiner Söhne sein können: Valarr, der häufig »der junge Prinz« genannt wurde, um ihn von seinem Vater zu unterscheiden, oder Matarys, der »noch jüngere Prinz«, wie der Hofnarr von Lord Swann ihn einmal

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