Der siebte Schrein
den Rest in Silber. Dunk biß auf eine der Goldmünzen und lächelte. Er hatte noch nie Gold in der Hand gehabt, geschweige denn im Mund. »Drachen« nannten die Leute diese Münzen, da der dreiköpfige Drache des Hauses Targaryen auf einer Seite eingeprägt war. Die andere zeigte den König. Auf zwei der Münzen, die Henly ihm gab, war der Kopf von König Daeron zu sehen; die dritte war älter, abgenutzter und zeigte einen anderen Mann. Sein Name stand unter dem Kopf, aber Dunk konnte die Buchstaben nicht lesen. Obendrein war Gold vom Rand abgekratzt worden. Er wies Henly lautstark darauf hin. Der Stallbesitzer knurrte, legte aber noch eine Handvoll Silbermünzen und ein paar Kupferstücke darauf, um das Gewicht auszugleichen. Ein paar der Kupfermünzen gab Dunk ihm gleich zurück und wies mit einem Kopfnicken auf Leichtfuß. »Das ist für sie«, sagte er. »Sieh zu, daß sie heute abend etwas Hafer bekommt. Aye, und einen Apfel.«
Mit dem Schild unter dem Arm und dem Sack mit der alten Rüstung über der Schulter machte sich Dunk zu Fuß auf den Weg durch die sonnigen Straßen der Stadt Ashford. Das Gewicht der vielen Münzen in seinem Beutel erfüllte ihn mit widerstreitenden Gefühlen: einerseits war er fast überschwenglich, andererseits nervös. Der alte Mann hatte ihm nie mehr als eine oder zwei Münzen gleichzeitig anvertraut. Er könnte ein ganzes Jahr mit soviel Geld leben. Und was werde ich tun, wenn es aufgebraucht ist? Donner verkaufen? Wenn er diesen Weg einschlug, würde er am Bettelstab oder als Straßenräuber enden. So eine Chance bekomme ich nie wieder. Ich muß alles riskieren.
Als er durch die Furt zum Südufer des Cockleswent gewatet war, war der Vormittag fast vorüber, und auf dem Turniergelände herrschte wieder reges Leben. Die Weinhändler und Wurstbrater machten gute Geschäfte, ein Tanzbär schlurfte zur Musik seines Herrn dahin, während ein Sänger »Der Bär, die Zeit und die Schöne Maid« anstimmte; Jongleure jonglierten, und die Puppenspieler brachten gerade einen weiteren Kampf zu Ende.
Dunk blieb stehen, um zuzusehen, wie der Holzdrache niedergestreckt wurde. Als der Puppenritter ihm den Kopf abschlug und das rote Sägemehl auf das Gras quoll, lachte er laut und warf dem Mädchen zwei Kupfermünzen zu. »Eine für gestern abend«, rief er. Sie fing seine Münzen in der Luft auf und schenkte ihm ein Lächeln, wie er es liebreizender noch nie gesehen hatte.
Lächelt sie meinetwegen oder wegen der Münzen? Dunk war nie mit einem Mädchen zusammen gewesen, und sie machten ihn nervös. Einmal, vor drei Jahren, als die Börse des alten Mannes nach einem halben Jahr im Dienst des blinden Lord Florent prall gefüllt gewesen war, hatte er Dunk gesagt, daß die Zeit gekommen sei, ihn mit in ein Bordell zu nehmen und zum Mann zu machen. Aber der alte Mann war betrunken gewesen, und als er wieder nüchtern war, konnte er sich an nichts erinnern. Dunk war zu verlegen gewesen, um dessen Gedächtnis aufzufrischen. Er war sowieso nicht sicher, ob er eine Hure wollte. Wenn er keine hochgeborene Maid haben konnte, wie es einem richtigen Ritter geziemte, wollte er zumindest eine, die ihn mehr mochte als sein Silber.
»Möchtest du ein Horn Bier trinken?« fragte er die Puppenspielerin, als sie das Sägemehlblut wieder in den Drachen füllte. »Mit mir, meine ich? Oder eine Wurst essen? Ich hatte gestern abend eine Wurst, die war gut. Ich glaube, sie werden aus Schweinefleisch gemacht.«
»Ich danke Euch, m´Lord, aber wir haben eine weitere Vorstellung.« Das Mädchen stand auf und lief zu der wütenden, fetten Dornischfrau, die den Marionettenritter bewegte, während Dunk dastand und sich albern vorkam. Aber ihm gefiel, wie sie lief. Ein hübsches Mädchen, und groß. Ich müßte mich nicht niederknien, um sie zu küssen. Er wußte, wie man küßte. Ein Tavernenmädchen hatte es ihm eines Nachts in Lannisport gezeigt, vor einem Jahr, aber sie war so klein gewesen, daß sie auf dem Tisch sitzen mußte, um an seine Lippen heranzukommen. Bei der Erinnerung wurden seine Ohren ganz heiß. Was war er doch für ein großer Narr. Er sollte an das Turnier denken, nicht ans Küssen.
Lord Ashfords Zimmerleute tünchten die hüfthohen Holzbarrieren weiß, die die Lanzenbrecher voneinander trennten. Dunk sah ihnen eine Weile bei der Arbeit zu. Es waren fünf Reihen, von Norden nach Süden ausgerichtet, damit keiner der Kontrahenten mit der Sonne im Gesicht reiten mußte. An der Ostseite der
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