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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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nicht wissen, was er gesehen hatte, aber das war nicht alles; er verspürte ohnehin nicht den Wunsch, noch mehr zu sehen. Er hatte genug gesehen und gehört.
    Aber das Kichern und Flüstern kam nun in seine Richtung. Roland machte die Augen zu und konzentrierte sich auf das Medaillon auf seiner Brust. Ich weiß nicht, ob es am Gold oder an dem Gott liegt, aber sie kommen nicht gern in seine Nähe, hatte John Norman gesagt. Es war gut, sich daran zu erinnern, als die Kleinen Schwestern näher kamen und in ihrer seltsamen anderen Zunge tuschelten und flüsterten, aber in der Dunkelheit schien das Medaillon einen schwachen Schutz zu bieten.
    Leise, in weiter Ferne, hörte Roland den Kreuzhund bellen.
    Als die Schwestern ihn umringten, stellte der Revolvermann fest, daß er sie riechen konnte. Es war ein unterschwelliger übler Geruch, wie von verdorbenem Fleisch. Aber wonach sollten sie auch sonst riechen, Wesen ihrer Art?
    »So ein hübscher Mann ist er.« Schwester Mary. Sie sagte es in einem tiefen, nachdenklichen Tonfall.
    »Aber so ein häßliches Sigul trägt er.« Schwester Tamra.
    »Wir nehmen es ihm ab!« Schwester Louise.
    »Und dann bekommen wir unsere Küsse!« Schwester Coquina.
    »Küsse für alle!« rief Schwester Michela so fieberhaft enthusiastisch, daß sie alle lachten.
    Roland stellte fest, daß er doch nicht ganz gelähmt war. Ein Teil von ihm war tatsächlich aus seinem Schlaf erwacht, als er ihre Stimmen gehört hatte, und ragte steil empor. Eine Hand wurde unter das Nachthemd geschoben, das er trug, berührte das steife Glied, umfaßte es, liebkoste es. Roland lag stumm vor Entsetzen da und tat, als schliefe er, während sich fast augenblicklich eine feuchte Wärme aus ihm ergoß. Die Hand blieb einen Moment, wo sie war, der Daumen glitt auf dem erschlaffenden Schaft auf und ab. Dann ließ sie los und wanderte ein wenig höher. Fand die feuchte Pfütze auf seinem Bauch.
    Kichern, sanft wie der Wind.
    Läutende Glöckchen.
    Roland machte die Augen einen winzigen Spalt auf und betrachtete die uralten Gesichter, die im Licht ihrer Kerzen auf ihn herabsahen - funkelnde Augen, gelbe Wangen, vorstehende Zähne, die über die Unterlippen ragten. Schwester Michela und Schwester Louise schienen Ziegenbärtchen gewachsen zu sein, aber das war natürlich nicht dunkles Haar, sondern das Blut des bärtigen Mannes.
    Mary hielt die hohle Hand hoch. Sie hielt sie einer Schwester nach der anderen hin; jede leckte im Kerzenschein von der Handfläche.
    Roland machte die Augen ganz zu und wartete darauf, daß die Schwestern verschwanden. Schließlich waren sie fort.
    Ich werde nie wieder schlafen, dachte er, und fünf Minuten später hatte er sich und die Welt vergessen.
    V. Schwester Mary. Eine Nachricht. Ein Besuch von Ralph. Normans Schicksal. Noch einmal Schwester Mary.
    Als Roland erwachte, war hellichter Tag, das Seidendach über ihm erstrahlte weiß und wogte in einer sanften Brise. Die Ärzte-Käfer sangen zufrieden. Links von ihm schlief Norman tief und fest und hatte dabei den Kopf so weit auf eine Seite gedreht, daß seine stoppelige Wange auf der Schulter ruhte.
    Roland und John Norman waren die einzigen. Das Bett, wo der bärtige Mann gelegen hatte, war leer, die Decke hochgezogen und ordentlich eingesteckt, das Kissen frisch bezogen und gestärkt. Das Geflecht von Schlingen, in dem sein Körper gehangen hatte, war fort.
    Roland erinnerte sich an die Kerzen - wie ihr Leuchten sich vereint hatte, wie eine Säule zur Decke emporgestiegen war und die Schwestern beleuchtet hatte, als sie sich um den bärtigen Mann versammelten. Kicherten. Während ihre verdammten Glöckchen läuteten.
    Nun kam Schwester Mary, als hätte er sie mit seinen Gedanken gerufen, und glitt mit Schwester Louise im Schlepptau hastig auf ihn zu. Louise trug ein Tablett und sah nervös aus. Mary runzelte die Stirn und war offenbar übellaunig.
    Mürrisch zu sein, nachdem du so gut gegessen hast? dachte Roland. Pfui, Schwester.
    Sie kam ans Bett des Revolvermanns und sah auf ihn herab. »Ich habe keinen Grund, dir zu danken, Sai«, sagte sie ohne Umschweife.
    »Habe ich um deinen Dank gebeten?« antwortete er mit einer Stimme, die sich so staubig und kaum benutzt anhörte wie die Seiten eines alten Buches.
    Sie ging nicht darauf ein. »Du hast eine, die lediglich frech und unzufrieden mit ihrem Platz war, zur regelrechten Rebellin gemacht. Nun, ihre Mutter war genauso und ist, nicht lange nachdem sie Jenna an ihren angestammten Platz

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