Der siebte Schrein
dunklen Hinterhöfen und verwinkelten Gassen hinter den Weinstuben der Stadt. Dunk warf den verbeulten Schild weg und riß das Visier von Aerions Helm auf.
Ein Visier ist eine Schwachstelle, erinnerte er sich an die Worte des Stählernen Pate. Der Prinz hatte fast jegliche Gegenwehr aufgegeben. Seine Augen waren purpurn, blankes Entsetzen stand darin. Dunk verspürte plötzlich den Wunsch, eines zu packen und wie eine Traube zwischen zwei stählernen Fingern zu zerquetschen, aber das wäre nicht ritterlich gewesen. »Ergebt euch!« brüllte er.
»Ich ergebe mich«, flüsterte der Drache, dessen blasse Lippen sich kaum bewegten. Dunk sah blinzelnd auf ihn hinab. Einen Moment konnte er nicht glaube, was er gehört hatte. Ist es vorbei? Er drehte den Kopf langsam von einer Seite auf die andere und versuchte, etwas zu sehen. Sein Sehschlitz war durch den Hieb, der die linke Seite eingedrückt hatte, teilweise geschlossen. Er sah Prinz Maekar mit dem Streitkolben in der Hand, wie er versuchte, sich an die Seite seines Sohnes durchzuschlagen. Baelor Breakspear hielt ihn auf.
Dunk erhob sich auf die Füße und zog Prinz Aerion mit sich hoch. Er machte sich an den Schnallen seines Helms zu schaffen, löste sie und warf ihn weg. Sofort bestürmten Bilder und Geräusche ihn; Grunzen und Flüche, die Schreie der Menge, ein Hengst, der wieherte, während ein anderer reiterlos über das Feld lief. Überall hallte Stahl auf Stahl. Raymun und sein Vetter schlugen vor der Zuschauertribüne aufeinander ein, beide zu Fuß. Ihre Schilde waren zersplitterte Ruinen, der grüne und der rote Apfel zu Brennholz zerhackt. Einer der Königsgardisten trug einen verwundeten Bruder vom Feld. In ihren weißen Rüstungen und weißen Mänteln sahen sie beide gleich aus. Der dritte weiße Ritter lag am Boden, und der Lachende Sturm half Prinz Baelor gegen Prinz Maekar. Streitkolben, Streitaxt und Langschwert klirrten aufeinander und schepperten auf Helm und Schild. Maekar bekam drei Hiebe für jeden Treffer, den er landen konnte, und Dunk konnte sehen, daß es bald vorbei sein würde. Ich muß ein Ende machen, bevor noch mehr von uns getötet werden.
Prinz Aerion tauchte plötzlich nach seinem Morgenstern. Dunk gab ihm einen Tritt in den Rücken, daß er mit dem Gesicht voraus zu Boden fiel, dann packte er ihn an einem Bein und zerrte ihn über die Wiese. Als er die Zuschauertribüne erreichte, wo Lord Ashford saß, war der Strahlende Prinz braun und verdreckt. Dunk riß ihn auf die Füße, schüttelte ihn und spritzte etwas Schlamm auf Lord Ashford und die schöne Maid. »Sagt es ihm!«
Aerion Brightflame spie einen Mundvoll Gras und Erde aus. »Ich ziehe meine Anklage zurück.«
Hinterher konnte Dunk nicht mehr sagen, ob er aus eigener Kraft vom Feld gegangen war oder ob er Hilfe gebraucht hatte. Er hatte überall Schmerzen, an manchen Stellen schlimmer als an anderen. Bin ich jetzt wahrhaftig ein Ritter? fragte er sich. Bin ich ein Kämpe?
Ei half ihm, Beinschienen und Halsberge abzulegen, Raymun ebenfalls, und sogar der Stählerne Pate griff mit zu. Er war zu benommen, sie zu unterscheiden. Sie waren Finger und Daumen und Stimmen. Pate war derjenige, der sich beklagte, das wußte Dunk. »Seht, was er mit meiner Rüstung gemacht hat«, sagte er. »Ganz verbeult und zerdeppert und zerkratzt. Aye, ich frage euch, wozu mache ich mir die Mühe? Ich fürchte, ich werde ihm das Kettenhemd vom Leib schneiden müssen.«
»Raymun«, sagte Dunk drängend und umklammerte die Hand seines Freundes. »Die anderen. Wie ist es ihnen ergangen?« Er mußte es wissen. »Ist jemand gestorben?«
»Beesbury«, sagte Raymun. »Gleich im ersten Durchgang von Donnel von Duskendale geschlagen. Ser Humfrey ist ebenfalls schwer verwundet. Wir anderen haben Blutergüsse und Kratzer, mehr nicht. Abgesehen von Euch.«
»Und sie? Die Ankläger?«
»Ser Willem Wylde von der Königsgarde wurde besinnungslos vom Feld getragen, und ich glaube, ich habe meinem Vetter ein paar Rippen gebrochen. Jedenfalls hoffe ich es.«
»Und Prinz Daeron?« stieß Dunk hervor. »Hat er überlebt?«
»Als Ser Robyn ihm vom Pferd gestoßen hatte, blieb er liegen, wo er war. Er könnte einen Fuß gebrochen haben. Sein eigenes Pferd ist auf ihn getreten, als es reiterlos auf der Wiese herumrannte.«
So benommen und verwirrt er auch war, Dunk verspürte eine immense Erleichterung. »Dann war sein Traum falsch. Der tote Drache. Es sei denn, Aerion ist gestorben. Aber das ist er nicht,
Weitere Kostenlose Bücher