Der siebte Schrein
Haar war braun, aber eine helle silber-goldene Strähne verlief darin. Der Anblick erinnerte Dunk an Aerion, aber er wußte, das war nicht fair. Eis Haar war so hell wie das seines Bruders nachgewachsen, und Ei war ein ziemlich anständiger Kerl für einen Prinzen.
Als er stehenblieb, um linkisch sein mit Dank überfrachtetes Beileid auszusprechen, sah ihn Prinz Valarr mit seinen kühlen blauen Augen blinzelnd an und sagte: »Mein Vater war erst neununddreißig. Er hatte das Zeug zu einem großen König, dem größten seit Aegon dem Drachen. Warum haben die Götter ihn geholt und Euch verschont?« Er schüttelte den Kopf. »Geht fort, Ser Duncan. Geht.«
Wortlos hinkte Dunk aus dem Schloß in das Lager am grünen Teich. Er hatte keine Antwort für Valarr parat. Auch nicht auf die Fragen, die ihn selbst beschäftigten. Die Maester und der kochende Wein hatten ihr Werk getan, seine Wunde heilte fein säuberlich, aber er würde eine tiefe, schartige Narbe zwischen dem linken Arm und der Brustwarze behalten. Er konnte die Wunde nicht ansehen, ohne an Baelor zu denken. Er hat mich einmal mit dem Schwert und einmal mit einem Wort gerettet, obwohl er ein toter Mann war, als er vor mir stand. Die Welt ergab keinen Sinn, wenn ein großer Prinz sterben mußte, damit ein Heckenritter leben konnte. Dunk saß unter seiner Ulme und starrte düster seinen Fuß an.
Als die vier Wachen in der königlichen Livree eines Tages am Spätnachmittag in seinem Lager erschienen, war Dunk sicher, daß sie doch noch kamen, um ihn zu töten. Er war zu schwach und erschöpft, um nach seinem Schwert zu greifen, saß mit dem Rücken zur Ulme und wartete.
»Unser Prinz bittet um die Gunst einer privaten Unterredung.«
»Welcher Prinz?« fragte Dunk bedächtig.
»Dieser Prinz«, antwortete eine barsche Stimme, bevor der Hauptmann antworten konnte. Maekar Targaryen kam hinter der Ulme hervor.
Dunk stand langsam auf. Was kann er nun noch von mir wollen?
Maekar machte eine Geste, worauf die Wachen so schnell verschwanden, wie sie gekommen waren. Der Prinz betrachtete ihn eine ganze Weile, dann wandte er sich ab, ging zum Ufer des Teiches und betrachtete sein Spiegelbild im Wasser. »Ich habe Aerion nach Lys geschickt«, verkündete er unvermittelt. »Ein paar Jahre in den Freistädten könnten einen besseren Menschen aus ihm machen.«
Dunk war nie in den Freistädten gewesen, daher wußte er nicht, was er darauf sagen sollte. Es freute ihn, daß sich Aerion nicht mehr in den Sieben Königreichen aufhielt, und er hoffte, daß er nie zurückkehren würde, aber das war nichts, was man zu einem Vater über seinen Sohn sagen konnte. Er wartete schweigend.
Prinz Maekar drehte sich zu ihm um. »Manche Männer werden sagen, daß ich meinen Bruder töten wollte. Die Götter wissen, daß das eine Lüge ist, aber ich werde das Getuschel bis zu dem Tag hören, an dem ich sterbe. Und es war mein Streitkolben, der ihm den tödlichen Hieb versetzt hat, daran habe ich keinen Zweifel. Die einzigen anderen Gegner, mit denen er es in dem Tumult zu tun hatte, waren drei Königsgardisten, denen ihr Eid verbot, mehr zu tun, als sich selbst zu verteidigen. Also war ich es. So seltsam es sich anhört, ich kann mich nicht an den Schlag erinnern, der ihm den Schädel gespalten hat. Ist das ein Segen oder ein Fluch? Ich glaube, manche würden sagen, beides.«
So, wie der Prinz Dunk ansah, schien er eine Antwort zu erwarten. »Ich kann es nicht sagen, Euer Gnaden.« Vielleicht hätte er Maekar hassen sollen, aber statt dessen empfand er eine seltsame Sympathie für den Mann. »Ihr habt den Streitkolben geschwungen, m´Lord, aber ich bin es, für den Prinz Baelor gestorben ist. Also habe ich ihn auch getötet, in gleichem Maße wie Ihr.«
»Ja«, gab der Prinz zu. »Ihr werdet sie auch flüstern hören. Der König ist alt. Wenn er stirbt, wird Valarr an seines Vaters Stelle den Eisenthron besteigen. Jedesmal, wenn eine Schlacht verloren wird oder es zu einer Mißernte kommt, werden die Narren sagen: ›Baelor hätte es nicht dazu kommen lassen, aber der Heckenritter hat ihn getötet.‹«
Dunk sah ein, daß das der Wahrheit entsprach. »Hätte ich nicht gekämpft, hättet Ihr mir die Hand abschlagen lassen. Und den Fuß. Manchmal sitze ich unter diesem Baum hier, betrachte meine Füße und frage mich, ob ich nicht auf einen hätte verzichten können. Wie kann mein Fuß das Leben eines Prinzen wert sein? Und auch die anderen beiden, die Humfreys, sie waren auch gute
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