Der siebte Schrein
überkam ihn. Ich habe alles vergessen, dachte er hektisch. Ich habe alles vergessen, ich werde mir Schande machen, ich werde alles verlieren.
Donner rettete ihn. Der große braune Hengst wußte, was er zu tun hatte, auch wenn sein Reiter es nicht zu wissen schien. Er begann einen langsamen Trab. Dann erinnerte sich Dunk an seine Ausbildung. Er ließ das Schlachtroß sanft die Sporen spüren und neigte die Lanze. Gleichzeitig schwenkte er den Schild, bis er den größten Teil seiner linken Körperseite abdeckte. Er hielt ihn schräg, um Treffer von sich abzulenken. Eiche und Eisen schützt mich gut, sonst ende ich in der Höllenglut.
Der Lärm der Menge war nichts weiter mehr als die Brandung ferner Wellen. Donner ging in Galopp über. Dunks Zähne schlugen durch die heftigere Gangart aufeinander. Er drückte die Absätze nach unten, preßte die Beine mit all seiner Kraft zusammen und ließ seinen Körper eins werden mit den Bewegungen des Pferdes. Ich bin Donner, und Donner ist ich, wir sind ein Tier, wir sind vereint, wir sind eins. Die Luft in seinem Helm war schon so heiß, daß er kaum atmen konnte.
Bei einem Turnier wäre sein Gegner links, auf der anderen Seite der Barriere, und er würde die Lanze über Donners Hals schwenken müssen. Der Winkel erhöhte die Wahrscheinlichkeit, daß das Holz beim Aufprall splittern würde. Aber heute wurde ein tödlicheres Spiel gespielt. Ohne trennende Barriere rasten die Pferde direkt aufeinander zu. Prinz Baelors riesiger Rappe war viel schneller als Donner, und Dunk sah ihn aus dem Winkel des Augenschlitzes davongaloppieren. Die anderen spürte er mehr, als daß er sie sah. Sie sind nicht wichtig, nur Aerion ist wichtig, nur er.
Er sah den Drachen kommen. Lehmbrocken flogen von den Hufen von Prinz Aerions Grauem, und Dunk konnte die Nüstern des Pferdes beben sehen. Die schwarze Lanze zeigte immer noch nach oben. Ein Ritter, der seine Lanze hoch hält und erst im letzten Moment nach unten zieht, läuft immer Gefahr, sie zu tief zu ziehen, hatte der alte Mann ihm gesagt. Er senkte seine eigene, bis die Spitze direkt auf die Brust des Prinzen zeigte. Meine Lanze ist Teil meines Arms, sagte er sich. Sie ist mein Finger, ein Finger aus Holz. Ich muß ihn nur mit meinem langen Holzfinger berühren.
Er versuchte, die scharfe Spitze am Ende von Aerions schwarzer Lanze nicht zu beachten, die mit jedem Schritt größer wurde. Der Drache, schau den Drachen an, dachte er. Die große dreiköpfige Bestie bedeckte den Schild des Prinzen, rote Schwingen und goldenes Feuer. Nein, schau nur dahin, wo du treffen willst, fiel ihm plötzlich wieder ein, aber seine Lanze schwenkte bereits von der Linie weg. Dunk versuchte zu korrigieren, aber es war zu spät. Er sah die Spitze Aerions Schild treffen, zwischen zwei Köpfen des Drachen, direkt auf einer gemalten Flamme. Nach dem gedämpften Krachen spürte er, wie Donner unter der Wucht des Zusammenpralls zurückwich, und einen halben Herzschlag später wurde ihm etwas mit schrecklicher Kraft in die Seite gerammt. Die Pferde stießen brutal zusammen, die Rüstungen klirrten und schepperten, während Donner stolperte und Dunk die Lanze aus der Hand fiel. Dann war er an seinem Widersacher vorbei und klammerte sich in dem verzweifelten Versuch am Sattel fest, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Donner schlitterte in dem schlüpfrigen Schlamm zur Seite, und Dunk spürte, wie die Hinterbeine des Tiers wegrutschten. Sie rutschten, drehten sich, und dann klatschte das Hinterteil des Hengstes heftig gegen den Boden. »Hoch!« brüllte Dunk und stieß mit den Sporen zu. »Hoch, Donner!« Und irgendwie kam das alte Schlachtroß wieder auf die Beine.
Er konnte stechende Schmerzen unter den Rippen spüren, sein linker Arm wurde nach unten gezogen. Aerion hatte seine Lanze durch Eiche, Wolle und Stahl gebohrt; neunzig Zentimeter Eschensplitter und gehärtetes Eisen ragten aus Dunks Seite. Er streckte die rechte Hand aus, ergriff die Lanze unmittelbar unterhalb der Spitze und zog sie mit einer heftigen Bewegung aus seinem Körper heraus. Blut folgte, floß zwischen den Kettengliedern hindurch und tränkte seinen Übermantel rot. Die Welt verschwamm, und er wäre beinahe gestürzt. Undeutlich konnte er durch die Schmerzen Leute seinen Namen rufen hören. Sein wunderschöner Schild war nutzlos. Er warf alles beiseite, Ulme, Sternschnuppe und abgebrochene Lanze, und zog sein Schwert, hatte aber solche Schmerzen, daß er nicht glaubte, er würde es
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