Der siebte Schrein
Läufer hatte viel bei sich, aber das lange orangerote Schweißband konnte benutzt werden, um einen Stützverband um eine Zerrung oder Verstauchung zu wickeln. Ein geöltes Bündel, nicht größer als eine Handfläche, enthielt ein in Taubkraut getränktes Tuch, mit dem man die Kratzer reinigen konnte, die man sich von Zeit zu Zeit holte. Einfache Heilmittel für die häufigsten Probleme. Ein Breiumschlag konnte der Reiseausrüstung hinzugefügt werden, und dieses zusätzliche Gewicht konnte durchaus der Mühe wert sein.
Tenna hatte keine Probleme, die Strecke mit Mallum zurückzulegen, selbst als er auf dem flachen Abschnitt mehr Tempo vorgab.
»Mit einem hübschen Mädchen zu laufen ist nicht schwer«, sagte er zu ihr, als sie eine kurze Pause machten.
Sie wünschte sich, er würde nicht immer wieder ihr Aussehen betonen. Es würde ihr nicht dabei helfen, besser zu laufen oder das zu werden, was sie werden wollte: eine der besten Läuferinnen.
Als sie zur Mittagszeit Irmas Station erreichten, atmete sie nicht einmal besonders schwer. Aber in dem Moment, als Mallum langsamer machte und die Ferse mit seinem ganzen Gewicht belastete, hinkte er leicht.
»Hmm. Nun, ich kann den Tag hier mit einem weiteren Breiumschlag ausharren«, sagte er und zog einen kleinen Beutel aus einer der Taschen an seinem Gürtel. »Siehst du«, sagte er und zeigte ihn Tenna, »ganz handlich.«
Sie klopfte auf ihre Ausrüstungstasche und lächelte.
Die alte Irma kam heraus und grinste über ihr ganzes sonnengebräuntes Gesicht.
»Wird sie´s packen, Mallum?« fragte die alte Frau und gab beiden einen Becher.
»Oh, aye, sie wird´s packen. Dank ihrer Herkunft, und es ist keine Plage, mit ihr zu laufen!« sagte Mallum mit einem Funkeln in den Augen.
»Ich bestehe, Mallum, oder nicht?« fragte Tenna, die eine direkte Antwort brauchte.
»Oh, aye«, und er lachte, lief herum und schüttelte die Beine aus, um sie zu entkrampfen, genau wie sie. »Mach dir deshalb keine Sorgen. Hast du heißes Wasser für meinen Umschlag, Irm?«
»Kommt sofort.« Sie duckte sich wieder in ihr Stationsgebäude und kam mit einer Schüssel dampfenden Wassers heraus, die sie auf die lange Bank stellte, die zum festen Inventar jeder Station gehörte. Der Überhang des Daches bot Schutz vor Sonne und Regen. Die Lieblingsbeschäftigung der meisten Läufer bestand darin, die Pfade zu beobachten, um zu sehen, wer kam und ging. Die lange Bank, deren Oberfläche Generationen von Hintern, die darauf herumgerutscht waren, glattgeschliffen hatten, stand so, daß sie guten Ausblick auf alle vier Wege bot, die sich bei Irmas Station kreuzten.
Automatisch zog Tenna einen Fußschemel unter der Bank hervor und streckte die Hand aus, um Mallums rechten Fuß zu nehmen. Sie öffnete den Schuh und preßte den durchnäßten Umschlag auf die Schwellung, während Irma ihr eine Binde gab, um ihn zu befestigen, und sich dabei die Verletzung selbst genau ansah.
»´n Tag wird genügen. Hättest heute morgen aufs Laufen verzichten sollen.«
»Nicht, wo ich die Möglichkeit hatte, mit so einem hübschen Mädchen zu laufen«, sagte Mallum.
»Typisch Mann«, sagte Irma wegwerfend.
Tenna spürte, wie sie errötete, auch wenn sie allmählich glaubte, daß er sie nicht nur aufziehen wollte. Bisher hatte noch niemand Bemerkungen über ihr Aussehen gemacht.
»Es war keine anstrengende Strecke, Irma. Der Weg ist fast ausschließlich eben und hat eine gute Oberfläche«, sagte sie und grinste Mallum schüchtern an, während sie versuchte, Irmas Kritik die Spitze zu nehmen.
»Pah! Nun, ein Lauf am Berg wäre auch regelrecht töricht gewesen, und auf diesem Weg ist es flach.«
»Was für Tenna da, das sie mit zurücknehmen kann«, fragte Mallum, »auf ihrer ersten Rundreise als Läuferin?«
»Soll wohl sein«, sagte Irma und blinzelte Tenna nach dieser formlosen Aufnahme in die Ränge der Läufer von Pern zu. »Du kannst jetzt was essen . . . Suppe ist fertig, Brot auch.«
»Könnte selbst auch was vertragen«, sagte Mallum und veränderte vorsichtig seine Haltung, als wollte er die Wärme des Umschlags reduzieren, da sie wahrscheinlich sogar durch seine abgehärtete Fußsohle drang.
Bis Tenna die leichte Mahlzeit zu sich genommen hatte, waren zwei Läufer eingetroffen: ein Mann, den sie nicht vom Sehen kannte, auf dem langen Weg von Bitra mit einem Beutel, der noch weiter nach Westen mußte; und einer von Irmas Söhnen.
»Ich kann es zur Siebenundneunzig bringen«, sagte sie unter
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