Der siebte Schrein
Abenddämmerung, wenn die Tiere auf die Jagd gingen. Natürlich waren Renegaten, die nicht so verbreitet wie Tunnelschlangen waren, um einiges gefährlicher, da sie Menschen waren, keine Tiere, obwohl die Meinungen in dieser Frage häufig auseinandergingen. Da Läufer selten Geld bei sich trugen, wurden sie nicht so häufig von Wegelagerern überfallen wie Boten auf Lauftieren oder andere einsame Wanderer. Tenna hatte noch nie von Überfällen der Renegaten so weit westlich gehört, aber manchmal waren diese Leute so gemein, daß sie sich allein aus Groll und Mißgunst einen Läufer schnappten. In den vergangenen drei Planetenumläufen waren zwei Fälle vorgekommen - im Norden, bei Lemos und Bitra -, wo Läufern aus reiner Bösartigkeit die Kniesehnen durchschnitten worden waren.
Dann und wann, in besonders strengen Wintern, konnte es vorkommen, daß ein Schwarm hungriger Whers einen Läufer im freien Gelände angriff, aber Beispiele dafür waren selten. Schlangen waren die häufigste Gefahr, besonders im Mittsommer, wenn es frisch geschlüpfte Brut gab.
Ihr Vater war vor zwei Sommern dieser Gefahr zum Opfer gefallen. Er war erstaunt gewesen, wie schnell sich eine ausgewachsene Tunnelschlange bewegen konnte, wenn sie aufgeschreckt wurde. Es waren überwiegend träge Geschöpfe, nur der Hunger machte sie schnell. Aber er war mitten in ein ungünstig gelegenes Nest getreten, und die jungen Schlangen waren an seinen Beinen hinaufgeschwärmt, hatten an zahllosen Stellen in die Haut gebissen und waren bis in den Schritt hinaufgelangt. (Ihre Mutter hatte ein Kichern unterdrückt und gesagt, daß mehr als nur der Stolz von Tennas Vater verletzt worden wäre.) Aber er hatte auch Narben von Krallen und Zähnen, die er vorzeigen konnte.
In Mondscheinnächten wie dieser, wenn die Luft so kühl war, daß sie den Schweiß auf Gesicht und Brust trocknete, und der Weg federnd und frei vor ihr lag, machte es Spaß, zu laufen. Und sie mußte ihren Gedanken keine Zügel anlegen.
Kurz nachdem sie ihr Ziel erreicht hatte, würde eine Zusammenkunft stattfinden; sie wußte, sie beförderte einige Anweisungen für Handwerksleute, die in Fort ausstellten. Die Beutel, die zu einer Zusammenkunft gebracht oder von dort geholt wurden, waren unweigerlich umfangreicher - Bestellungen von denen, die nicht selbst erscheinen konnten und einen Handwerksmeister benachrichtigen wollten. Wenn sie Glück hatte, konnte sie vielleicht bis zur Zusammenkunft dort bleiben. Sie war lange nicht mehr bei einer gewesen und wollte fein gegerbtes Leder für ein paar neue Laufschuhe finden. Sie hatte genug Geld auf der hohen Kante, daß sie einen angemessenen Preis für die richtigen Häute zahlen konnte: Sie hatte in die Bücher gesehen, die ihre Mutter über ihre Läufe führte. Die meisten Hallen waren gern bereit, die Quittung einer Läuferstation anzunehmen. Sie hatte eine in einer Gürteltasche. Wenn sie genau die richtigen Häute fand, hatte sie sogar noch etwas Spielraum zum Feilschen, über oder unter dem Nennwert der Quittung.
Außerdem würde eine Zusammenkunft Spaß machen. Sie tanzte gerne und war besonders gut im Wurftanz, wenn sie einen geeigneten Partner finden konnte. Fort war eine gute Burg. Und die Musik würde ganz besonders sein, da die Harfnerhalle genau in Fort lag.
Sie lief weiter, während ihr Harfenmelodien durch den Kopf gingen, auch wenn sie nicht genug Luft hatte, um sie zu singen.
Sie lief jetzt in einer langen Kurve, um ein Felsmassiv herum - die meisten Wege waren so gerade wie möglich -, und konzentrierte sich wieder auf ihre Richtung. Unmittelbar nach der Kurve würde ein Pfad nach rechts abbiegen, landeinwärts, Richtung Fort. Jetzt mußte sie aufpassen, damit sie nicht ihren Rhythmus unterbrechen und umkehren mußte.
Plötzlich konnte sie Vibrationen unter den Füßen spüren, aber nichts hinter der Vegetation in der Kurvenböschung erkennen. Als sie genauer hinhörte, konnte sie ein seltsames Huff-huff- Geräusch hören, das näher kam und lauter wurde. Das Geräusch reichte als Warnung gerade aus, daß sie nach links auswich, von der Mitte des Weges weg, wo sie ein bißchen besser sehen konnte, was das Geräusch und die Vibrationen verursachte. Dies war ein Läuferweg, keine Straße. Kein Läufer machte solche Geräusche oder trat fest genug auf, solche Vibrationen zu erzeugen. Sie sah die dunkle Masse, die auf sie zugerast kam, und warf sich ins Unterholz, als Lauftier und Reiter sie nur um einen Fingerbreit
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