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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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er hätte nicht auf einem Laufweg unterwegs sein dürfen. Es gab Straßen für Tiere! Hufe konnten die Oberfläche des Pfads aufreißen, und der Stationsleiter mußte Stunden darauf verwenden, Rasenstücke zu ersetzen, die Hufe herausgerissen hatten. Sie hoffte nur, andere Läufer auf dem Weg würden ihn rechtzeitig hören! Das ist ein Grund, warum man sich auf seinen Lauf konzentriert, Tenna. Auch wenn du keinen Grund zu der Annahme hattest, du warst nicht allein mit der Nacht und dem Mond auf einem Laufweg.
     
    Die Läuferstation lag dicht unterhalb des Haupteingangs der Burg Fort. Den Geschichtsbüchern zufolge hatten die Läufer in Fort vor Hunderten und Aberhunderten Planetenumläufen als Boten für kurze Strecken den Anfang gemacht, noch ehe die Trommeltürme erbaut worden waren. Burg Fort hatte die Fähigkeiten der Läufer für viele Aufgaben eingesetzt, besonders während des Sporenregens, als Läufer sämtliche Bodenmannschaften begleitet hatten und in Notfällen als Kuriere unersetzlich gewesen waren. Der Bau der Trommeltürme und die Züchtung der Lauftiere hatten dem Bedarf Perns an Läufern kein Ende bereitet. Diese Hauptverbindungsstation war die größte, die jemals gebaut worden war, nur um Läufer unterzubringen und zu versorgen. Drei Stockwerke hoch, hatte man Tenna gesagt, und mehrere in die Felswand der Burg hinein. Außerdem besaß sie eine der besten Badeanlagen des gesamten Kontinents: fließend heißes Wasser in tiefen Wannen, die jahrhundertelang Schmerzen und Krämpfe von Läufern gelindert hatten. Cesila hatte Tenna mit allem Nachdruck empfohlen, Fort einen Besuch abzustatten, sollte sie so weit nach Westen kommen. Und nun war sie da und nur zu bereit, die Einrichtungen schätzen zu lernen.
    Sie war sehr müde und nicht nur außer Tritt, vielmehr tat ihr jeder Schritt die breite Straße hinab weh, die zu ihrem Ziel führte. Ihre Hände brannten von dem Harz, und sie hoffte, daß sie keine Splitter mehr darin hatte. Aber Hände waren noch lange keine Füße.
    Tierhalter, die früh aufgestanden waren, um das Vieh zu füttern, winkten ihr fröhlich zu und lächelten, und ihre Freundlichkeit stellte Tennas gute Laune teilweise wieder her. Sie wollte, wenn sie schon zerkratzt war, nicht auch noch verdrießlich hier eintreffen, nicht bei ihrem ersten Besuch.
    Es war fast, als hätte der Stationsleiter einen sechsten Sinn für ankommende Läufer, denn die Doppeltür wurde bereits aufgerissen, als sie keuchend und abrupt zum Stehen kam und die Hand hob, um am Glockenstrang zu ziehen.
    »Dachte mir doch, daß ich jemanden kommen gehört habe.« Der Mann grinste zur Begrüßung und streckte beide Hände aus, um sie zu stützen. Er war einer der ältesten Männer, die sie je gesehen hatte: Seine Haut war ein Netz aus Falten und Runzeln, aber seine Augen waren klar - für diese Stunde -, und er schien ein fröhlicher Mensch zu sein. »Und eine Neue obendrein, auch wenn du mir gar nicht so unbekannt vorkommst. Ein hübsches Gesicht ist ein großartiger Anblick an einem schönen Morgen.«
    Tenna holte genug Luft, um ihren Namen zu sagen, und betrat die große Eingangshalle. Sie löste den Kurierbeutel, während sie die Anspannung in den Beinmuskeln lockerte.
    »Tenna über Zwei-Null-Acht mit Botschaften aus dem Osten. Alle sind für Fort bestimmt.«
    »Willkommen in Dreihundert, Tenna«, sagte er und notierte mit Kreide sofort ihre Ankunftszeit auf der schweren, alten Tafel neben der Tür. »Alle für hier, ja?« Er gab ihr einen Becher, ehe er den Beutel öffnete, um den Inhalt zu überprüfen.
    Mit dem Becher in der Hand ging sie wieder hinaus, während sie immer noch die Beine schüttelte, um die Muskeln zu lockern. Zuerst spülte sie den Mund aus und spie den ersten Schluck auf das Kopfsteinpflaster. Dann trank sie, um zu schlucken. Und es war nicht nur Wasser, sondern ein erfrischendes Getränk, das die trockenen Schleimhäute belebte.
    »Siehst ein bißchen zu schlecht aus für einen normalen Lauf«, sagte der Mann, der an der Tür stand und auf die Blutflecken auf ihrer bloßen Haut zeigte. »In was bist du reingelaufen?«
    »Stichlingsbusch«, sagte sie mit zusammengepreßten Zähnen. »Ein Lauftier hat mich an der Hügelkurve abgedrängt . . . ist auf einem Laufweg unterwegs gewesen, dabei muß der Reiter gewußt haben, daß er das nicht darf.« Sie staunte über die Wut in ihrer Stimme, weil sie doch ganz sachlich hatte klingen wollen.
    »Das ist wahrscheinlich Haligon gewesen«, sagte der

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