Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
die er bewegen mußte. Er kletterte aus dem Loch und stellte fest, daß er mit Blut getränkt war, Hemmys Blut.
    »Was ist passiert?« flüsterte er.
    Als er zur Scheune stolperte, stellte er fest, daß es noch eine Stunde dauern würde, bis die Morgensonne über den Horizont im Osten stieg. Seine Beine waren zittrig, daher lehnte er sich an die Scheunenwand, schaute auf und sah, daß die hintere Heutür noch offenstand. Er wartete einen Moment, bis er seine durchgefrorenen, steifen Beine unter Kontrolle hatte, ging zur Vorderseite und betrachtete das große Tor, das trotz der Kälte weit offenstand. Als er den Schnee vor dem Tor betrachtete, fiel ihm keine ungewöhnliche Häufung von Fußspuren auf. Aber auf der Südseite des Eingangs, wo der Schnee unberührt geblieben war, sah er die Fußspuren eines einzelnen und zwei Linien, wie sie die Kufen eines Schlittens hinterließen. Jemand hatte den großen Schlitten aus der Scheune gezogen. Die tiefen Kufenspuren verrieten Dirk, daß der Schlitten schwer beladen sein mußte. Die Pferde waren längst nicht mehr da, die Tsurani hatten sie im vergangenen Winter gegessen, daher mußte die betreffende Person den Schlitten selbst ziehen.
    Dirk ging in die Scheune und sah Mikia und Torren, die einander - mit durchschnittenen Kehlen - in den Armen lagen. Auch die alte Litia lag mit weit aufgerissenen Augen in ihrem Blut. Wo er hinsah, sah er den Tod.
    Wer hatte das getan? fragte sich Dirk, von panischer Verwirrung erfüllt. Hatten die Tsurani, die Lord Pauls Anwesen besetzt hielten, den Verstand verloren und jeden einzelnen getötet? Aber in dem Fall hätten sich draußen im Schnee ganz viele Fußspuren finden müssen, und da waren keine. Die meisten waren diese Woche in der einen oder anderen Sache unterwegs, nur einige wenige waren in den Nebengebäuden geblieben. Dann wandten sich Dirks Gedanken dem Herrenhaus zu. »Anika!« sagte er heiser flüsternd.
    Er rannte im Halbdunkel vor der Morgendämmerung zur Küche und stellte fest, daß die Tür offenstand. Er betrachtete das Gemetzel in dem Raum voll stummem Entsetzen. Alle, die in der Küche schliefen, waren so tot wie die in der Scheune.
    Er rannte die Treppe hinauf und stürmte, ohne anzuklopfen, in Anikas Zimmer. Ihr Bett war leer. Er sah darunter, weil er fürchtete, sie hätte sich da unten verkriechen können, um zu sterben. Dann fiel ihm auf, daß kein Blut in dem Zimmer zu sehen war.
    Er stand auf, lief zum Zimmer ihres Vaters und stieß die Tür auf. Lord Paul lag in einer Blutlache auf seinem Bett; Dirk mußte nicht erst nachsehen, ob er noch lebte. Neben dem Bett stand eine Geheimtür offen, eine Tür, die gestrichen war wie ein Stück der Wand. Dirk sah durch die Tür in ein kleines Versteck, und ihm wurde klar, daß sein Herr hier den Reichtum versteckt hatte. Die Besatzer hatten jede Gold-, Silber- und Kupfermünze von denen verlangt, die in dem besetzten Gebiet lebten, aber es war hinreichend bekannt, daß sie keine Vorstellung davon hatten, was Reichtum auf diesem Planeten bedeutete. Die Diener hatten spekuliert, daß Lord Paul nur ein Drittel seines Geldes übergeben und den Rest versteckt hatte. Vielleicht hatten die Tsurani diesen verstecken Rest gefunden und dies war ihre Art, alle zu bestrafen? Wenn die Tsurani Amok gelaufen waren -
    »Nein«, sagte er leise zu sich. Die Tsurani hängten alle Ehrlosen. Die Klinge blieb ehrenhaften Gegnern vorbehalten. Wer immer für die Morde verantwortlich war, hatte verstohlen gehandelt, als hätte er Angst davor gehabt, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und überwältigt zu werden, und er hatte vorsichtig alle Diener getötet, einen nach dem anderen. Der Mörder war bewaffnet gewesen . . .
    Drugen!
    Nur Drugen und der Hausherr hatten, von den Tsurani abgesehen, die Erlaubnis, Waffen zu tragen. Dirk machte die Geheimtür zu und war zu erschüttert, um zu würdigen, wie schlau sie angelegt worden war. Wenn sie geschlossen war, konnte man sie nicht von der Wand unterscheiden.
    Er lief in das große Eßzimmer hinunter und sah über dem Sims die beiden Schwerter, die dort hingen, Erbstücke von Lord Pauls Familie. Er überlegte sich, ob er eines nehmen sollte, doch dann fiel ihm ein, falls ihn die Tsurani mit einem Schwert in der Hand finden sollten, würde er gehängt werden, bevor er ein Wort der Erklärung abgeben konnte.
    Er kehrte in die Küche zurück und nahm ein großes Ausbeinmesser aus dem Messerklotz neben dem Herd. Damit hatte er schon viele Male gearbeitet,

Weitere Kostenlose Bücher