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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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entführt und Lord Pauls ganzes Gold mitgenommen hatte. Der Tsuranisoldat, der den Befehl hatte, schien sich damit zu begnügen, die Sache seinem Vorgesetzten zu überlassen, wenn die Hauptstreitkraft des Regiments von ihrer Mission zurückkehrte.
    Dirk wußte, wenn jemand Anika retten wollte, mußte er es sein. Dirk schlich sich aus der Scheune und um die Seite herum, und als er sicher war, daß sich niemand in der Nähe aufhielt, ging er den Hügel hinter der Scheune hinab und in den Wald. Er lief rasch durch das Birken- und Kiefernwäldchen, bis er die Schlittenspuren gefunden hatte. Er wandte sich in diese Richtung und folgte ihnen.
     
    Dirk schlurfte durch den Schnee voran, und sein Atem bildete eine weiße Wolke vor ihm. Seine Füße waren taub, er fühlte sich schwach und hungrig, war aber entschlossen, Drugen einzuholen. Die Landschaft war weiß und grün - Äste von Kiefern und Fichten ragten aus Schneemänteln heraus. Eine kurze Strecke entfernt lag ein Wäldchen kahler Bäume, und Dirk wußte, er hatte die Grenze von Lord Pauls Anwesen schon überschritten.
    Der Mörder kam gut voran, obwohl er den schweren Schlitten ziehen mußte. Dirk wußte, jedesmal, wenn Drugen den Schlitten bergauf ziehen mußte, holte er selbst auf, aber wenn es auf der anderen Seite bergab ging, machte Drugen einen Teil der gewonnenen Strecke wahrscheinlich wieder wett.
    Dirk blieb einen Moment stehen, um auszuruhen. Er wußte, die beste Chance, den Mörder zu erwischen, hatte er, wenn er ihn nachts einholte. Dirk sah sich um. Er hatte keine Ahnung, wieviel Zeit verstrichen war; ein großer Teil des Tages, soviel war ihm klar, aber am grauen Himmel konnte er nicht sehen, wo die Sonne stand und wann es dunkel werden würde.
    Ein Kaninchen hob den Kopf über einen Kamm in der Nähe und schnupperte. Dirk wünschte sich, er hätte eine Art Waffe oder die Zeit gehabt, eine Falle aufzustellen, denn ein auf offenem Feuer gebratenes Kaninchen hätte ihm gutgetan, aber er wußte, solche Wünsche würden unerfüllt bleiben.
    Er ging weiter.
     
    Als es dunkel wurde, fing es an zu schneien, und es wurde schnell dunkel. Dirks Plan, dem Mörder die Nacht hindurch zu folgen, hatte sich erledigt, da er die Schlittenspuren nicht mehr sah. Dirk versuchte, den Spuren zu folgen, hatte aber kein Licht. Es war die schwärzeste Nacht, die er je erlebt hatte, und er litt Todesangst.
    Er fand eine kleine Baumgruppe mit einem großen Kiefernast voll Schnee, der wie ein Dach wirkte, und dort kroch er hinein, weil der Ast immerhin ein wenig Schutz bot. Er baute eine niedrige Mauer aus Schnee um sich herum, weil man ihm als Jungen beigebracht hatte, daß ihn eine solche Mauer vor dem Wind schützen konnte. Er döste, schlief aber nicht.
     
    Ein leises Geräusch weckte ihn. Er hörte es wieder. Er streckte den Kopf unter dem Kiefernast hervor und sah, daß ein großer Klumpen Schnee von einem Zweig gefallen war.
    Er kroch hinaus und suchte nach der Spur. Es gab Stellen, wo nur wenig Schnee gefallen war, und er konnte die Spuren kaum erkennen, aber sie waren da und wiesen ihm den Weg.
    Dirk setzte die Jagd nach dem Mörder fort.
     
    Bei Sonnenuntergang sah er das Licht des Feuers hoch auf einem Grat im Osten. Drugen war auf dem Weg zur Stadt Natal. Dort gab es keine Tsurani-Eindringlinge. Wenn er dort angekommen war, konnte Drugen weiter nach Ylith, und von da aus standen ihm alle Wege offen, ins Königreich, nach Kesh oder in das Inselreich Queg. Dirk wußte nicht, wie Drugen die Grenze überqueren wollte, aber er ging davon aus, daß der Mann einen Plan hatte. Vielleicht verließ er sich einfach darauf, daß die Tsurani dicht bei ihren Lagerfeuern bleiben und mitten im tiefsten Winter nicht allzu viele Leute auf dem Feld haben würden. Soweit er gehört hatte, war es seit den ersten Schneefällen praktisch nicht zu Kampfhandlungen zwischen ihnen und den Streitkräften der Freistädte und des Königreichs gekommen. Dirk schlich sich an das Feuer an.
     
    Schließlich kam er zu einem Platz, von dem aus er einen Blick auf die Feuerstelle werfen konnte. Dirk näherte sich ihr langsam, so leise wie möglich, und sah einen einzelnen Mann, der auf dem Schlitten saß und sich die Hände am Feuer wärmte. Drugen schien nicht zu glauben, daß er verfolgt würde, denn er hatte keine Anstalten getroffen, seinen Aufenthaltsort geheimzuhalten. Anika lag in ein Bündel Felle gehüllt zu seinen Füßen. Dirk hatte sie jeden Herbst gelüftet, wenn er sie aus der

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