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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Vorratskammer geholt hatte, daher wußte er, daß das Mädchen gut vor der Kälte geschützt war. Sie schien zu schlafen - wahrscheinlich vor Angst erschöpft, dachte Dirk.
    Dirk blieb stehen und wurde wieder von Angst überwältigt. Er hatte keine Ahnung, wie er weiter vorgehen sollte. Er hatte ein Dutzend Pläne geschmiedet, den Mörder anzugreifen, und wieder verworfen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie er einen ausgebildeten Krieger angreifen sollte, der dafür bezahlt wurde, zu kämpfen.
    Dirk stand frierend auf den Füßen und sah zu, wie das Feuer niederbrannte. Drugen aß, und Dirk blieb immer noch reglos stehen. Kälte, Entkräftung, Hunger und Angst bewirkten, daß er den Tränen nahe war.
    Dann warf Drugen noch Holz ins Feuer und wickelte eine Decke um sich. Er legte sich auf den Boden zwischen den Schlitten und Anika, die sich bewegte, aber nicht aufwachte. Er ging schlafen!
    Dirk wußte, er konnte Anika nur retten und Lord Pauls Gold an sich bringen, wenn er sich an Drugen anschlich und ihn im Schlaf tötete. Was das anging, hatte Dirk keine Gewissensbisse; Drugen hatte jeden im Schlaf getötet, den Dirk kannte, seit er seine Familie verlassen hatte, um auf dem Anwesen des Herrn zu arbeiten, und verdiente nichts Besseres als sie. Dirk hatte nur Angst, er könnte der Aufgabe nicht gewachsen sein oder den Mörder versehentlich aufwecken.
    Dirk bewegte die Beine, um in der eiskalten Nacht den Blutkreislauf anzuregen, und dachte schließlich, daß es sicher wäre, sich dem Lager zu nähern. Steife Beine, Atemnot und Herzklopfen trieben Dirk an den Rand einer Raserei. Seine Hände zitterten so heftig, daß es ihm kaum gelang, das Messer aus seiner Jacke zu holen.
    Der vertraute Griff war plötzlich etwas Fremdes, das sich nicht an seine Hand anpassen wollte. Er kroch weiter und versuchte, sich nicht von seiner Panik übermannen zu lassen.
    Auf der anderen Seite des Schlittens blieb er stehen; er war nicht sicher, wie er sich nähern sollte. Er beschloß, sich Drugens Kopf vorzunehmen.
    Dirk hielt das Messer hoch, kroch langsam und vorsichtig, um ja kein Geräusch zu machen, um den Schlitten herum. Als er nur noch wenige Zentimeter entfernt war, bewegte sich Drugen und zog die Decke um die Schultern. Er kuschelte sich an Anika, die sich nicht bewegte.
    Angst überwältigte Dirk. Er wußte, wenn er jetzt nicht handelte, würde er es nie schaffen. Er stieß heftig mit dem Messer zu und spürte, wie die Spitze in die Schulter des Mörders eindrang.
    Drugen schrie vor Schmerzen auf, krümmte sich und hätte Dirk das Messer fast aus der Hand gerissen. Dirk riß es zurück und stieß noch einmal zu. Wieder bohrte sich die Spitze tief in Drugens Schulter, und er heulte vor Schmerzen auf.
    Anika erwachte mit einem Schrei, strampelte die Felle von sich, sprang auf die Füße, fuhr herum und versuchte zu begreifen, was da geschah. Dirk zog die Klinge heraus und war bereit, zum drittenmal zuzustoßen, aber Drugen rannte los, rammte die Schulter in Dirk und stieß ihn beiseite.
    Der Junge rollte über den Boden und stellte fest, daß Drugen ihm auf der Brust saß und die Hand erhoben hatte, um ihm einen Schlag zu verpassen. »Du!« sagte er, als er das Gesicht des Jungen im trüben Licht des niedergebrannten Feuers sah. Drugen zögerte.
    Dirk stieß mit dem Messer zu und traf Drugen im Gesicht, ein tiefer Schnitt. Drugen kippte nach hinten und hielt die Hand an die Wange, während er vor Schmerzen aufschrie. Dirk handelte, ohne zu überlegen. Er stieß fest mit dem Messer zu und rammte es Drugen dicht unter den Rippen tief in die Brust.
    Drugen ragte im trüben Licht über Dirk auf und hatte die Augen in stummer Fassungslosigkeit aufgerissen. Die linke Hand, mit der er kurz die Wange berührt hatte, sank herab. Mit der rechten Hand packte er Dirk am Mantel, als wollte er ihn hochziehen, um ihn etwas zu fragen. Dann kippte er langsam nach hinten. Er ließ Dirks Mantel nicht los und zog den Jungen hoch und dann nach vorn.
    Dirks Beine waren unter Drugen eingeklemmt, daher war er gezwungen, sich nach vorne zu beugen.
    Dirk löste hektisch die Finger des toten Mannes von seinem Mantel. Er fiel zurück, und der Schmerz in seiner Seite wurde zur sengenden Qual. Er sah den Messergriff aus seinem Mantel ragen, und ihm wurde übel. Mit den Ellbogen stützte er sich ab und konnte die Beine vom Gewicht Drugens befreien. Undeutlich hörte er eine schluchzende Stimme, die sagte: »Nein.«
    Dirk war nur halb bei Bewußtsein, als er

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