Der siebte Schrein
Straße Morde passiert, schlimmer noch, am hellichten Tag, und es ist zu seltsamen Unfällen gekommen. Die Leute flüstern, daß Schattenmänner innerhalb der Mauern ihr Unwesen treiben.«
Lan nickte unmerklich. Da die Große Fäule so nahe lag, tuschelten die Leute immer über Schattenmänner, wenn sie keine andere Erklärung hatten, sei es wegen eines unerwarteten Todesfalls oder einer Mißernte. Aber er nahm Katzentänzers Zügel nicht in die Hand. »Wir haben vor, hier ein paar Tage auszuruhen, ehe wir weiter nach Norden reiten.«
Er dachte einen Moment, daß Seroku überrascht war. Hatte der Mann damit gerechnet, daß sie feierlich gelobten, den Frieden zu wahren, oder sich für Bukamas Verhalten entschuldigten? Beides würde Bukama jetzt beschämen. Ein Jammer, wenn der Krieg hier zu Ende ging. Lan wollte nicht sterben, während er Kandori tötete.
Sein alter Freund wandte sich von dem jungen Wachsoldaten ab, der zitternd und mit geballten Fäusten dastand. »Es ist allein meine Schuld«, verkündete Bukama mit tonloser Stimme. »Ich hatte kein Recht, so zu handeln. Beim Namen meiner Mutter, ich werde Lord Marcasievs Frieden halten. Beim Namen meiner Mutter, ich werde das Schwert nicht innerhalb der Mauern von Canluum ziehen.« Seroku klappte der Kiefer herunter, und Lan hatte Mühe, seinen Schock zu verbergen.
Der vernarbte Offizier zögerte nur einen Moment, trat beiseite, verbeugte sich und berührte Schwertgriff und Herz. »Lan Mandragoran Dai Shan ist stets willkommen«, sagte er förmlich. »Und auch Bukama Marenellin, der Held von Salmarna. Möget ihr beiden eines Tages Frieden erfahren.«
»Frieden ist in der letzten Umarmung der Mutter«, antwortete Lan ebenso förmlich und berührte Schwertgriff und Herz.
»Möge sie uns eines Tages zu Hause willkommen heißen«, vollendete Seroku. Niemand sehnte sich wirklich nach dem Grab, aber es war der einzige Ort, um in den Grenzländern Frieden zu finden.
Mit eherner Miene ging Bukama weiter und zog Sonnenlanze und das Packpferd hinter sich her, ohne auf Lan zu warten. Das war nicht gut.
Canluum war eine Stadt aus Stein und Lehmziegeln, deren gepflasterte Straßen serpentinenförmig um hohe Hügel verliefen. Die Invasion der Aiel war nie bis in die Grenzländer vorgedrungen, aber die Wogen des Krieges beeinträchtigten den Handel stets auch in großer Entfernung von Schlachten, und nun, wo die Kämpfe und der Winter beide zu Ende waren, strömten Leute aus aller Herren Länder in die Stadt. Obwohl die Große Fäule praktisch vor der Haustür der Stadt lag, machten Edelsteine, die in den umliegenden Hügeln abgebaut wurden, Canluum wohlhabend. Und seltsamerweise gab es hier einige der besten Uhrmacher überhaupt. Die Rufe von Straßenhändlern und Ladenbesitzern, die ihre Ware anpriesen, hallten selbst abseits des terrassenförmigen Marktplatzes über das Murmeln der Menge hinweg. Farbenfroh gekleidete Musikanten Jongleure oder Akrobaten gingen an jeder Straßenecke ihrem Gewerbe nach. Eine Handvoll lackierte Kutschen fuhren schwankend durch die Masse der Menschen, ebenso Wagen und Karren und Schubkarren, und Pferde mit gold- oder silbergeschmückten Sätteln und Zaumzeug, deren Reiter nicht minder prunkvoll in Gewänder mit kostbaren Stickereien und Fuchs- oder Marder- oder Hermelinbesätzen gekleidet waren, suchten sich einen Weg durch das Getümmel. Kaum eine Stelle, wo ein Fußbreit Straße frei blieb. Lan sah sogar einige Aes Sedai, Frauen mit gelassenen Gesichtern, denen man ihr Alter nicht ansah. Genug Leute erkannten sie auf den ersten Blick, so daß sich Wirbel in der Menge bildeten, Strudel, die wieder geschlossen werden mußten. Respekt oder Vorsicht, Ehrfurcht oder Angst - es gab hinreichend Gründe selbst für einen König, einer Schwester den Weg freizumachen. Einst hätte man selbst in den Grenzländern ein Jahr leben können, ohne je eine Aes Sedai zu Gesicht zu bekommen, aber seit ihre alte Amyrlin vor einigen Monaten gestorben war, schienen die Schwestern überall zu sein. Vielleicht lag es an den Geschichten über einen Mann, der kanalisierte; sie würden ihn nicht lange frei herumlaufen lassen, wenn er existierte. Lan hielt den Blick von ihnen abgewandt. Das Hadori allein konnte ausreichen, das Interesse einer Schwester zu erwecken, die einen Behüter suchte.
Schockierenderweise verbargen viele Frauen die Gesichter hinter Spitzenschleiern. Dünne Spitzen, fein genug, um zu zeigen, daß sie Augen hatten. Niemand hatte je von einem
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