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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Blicken, die er und sein Begleiter auf sich zogen, so wenig Beachtung wie Bukamas finsteren Blicken und seinem Nörgeln. Bukama hatte ihn von der Wiege an großgezogen, Bukama und andere Männer, die schon tot waren, und er konnte sich nicht erinnern, jemals etwas anderes als eine finstere Miene in diesem verwitterten Gesicht gesehen zu haben, selbst wenn Bukama lobende Worte sprach. Diesmal galt sein Murmeln einem an einem Stein angeschlagenen Huf, der ihn zwang, zu Fuß zu gehen. Aber er fand immer etwas.
    Sie erregten Aufmerksamkeit, zwei sehr hochgewachsene Männer in zerrissener und schmutziger Reisekleidung, die ihre Reittiere und ein Packpferd mit zwei brüchigen Weidenkörben führten. Aber Pferdegeschirr und Waffen waren gut gepflegt. Ein junger Mann und ein alter, deren schulterlanges Haar von einem geflochtenen Lederband um die Schläfen gehalten wurde. Hadori zogen Blicke auf sich. Besonders hier im Grenzland, wo die Leute eine ungefähre Vorstellung hatten, was es bedeutete.
    »Narren«, grollte Bukama. »Halten sie uns für Banditen? Glauben sie, wir würden sie alle ausrauben, zur Mittagsstunde auf einer bevölkerten Straße?« Er sah sich finster um und rückte das Schwert an seiner Seite auf eine Art und Weise zurecht, die argwöhnische Blicke einer Anzahl von Wächtern der Kaufleute nach sich zog. Ein vierschrötiger Bauer lenkte seinen Ochsen in weitem Bogen um sie herum.
    Lan schwieg. Malkieri, der das Hadori immer noch trug, wenn auch nicht als Bandit, haftete nach wie vor ein gewisser Ruf an, aber Bukama daran zu erinnern würde ihn tagelang in schwärzeste Stimmung versetzen. Sein Murmeln galt jetzt dem Thema, wie ihre Chancen standen, ein anständiges Bett für die Nacht und eine anständige Mahlzeit davor zu bekommen. Bukama beschwerte sich selten, wenn es tatsächlich einmal kein Bett und keine Mahlzeit gab, er nörgelte nur über Aussichten und Belanglosigkeiten. Er erwartete wenig und verließ sich auf noch weniger.
    Lan dachte trotz der Strecke, die sie zurückgelegt hatten, weder an Essen noch an Unterkunft. Seine Gedanken kreisten immer um den Norden. Er bemerkte alles und jeden um sich herum, besonders alle, die ihm mehr als nur einen Blick zuwarfen, hörte das Klirren von Zaumzeug und das Ächzen der Sättel, das Klopfen der Hufe, das Klatschen der Leinwand von Planwagen in lockeren Ösen. Jedes außergewöhnliche Geräusch fiel ihm auf wie ein Schrei. Das war die erste Lektion, die ihm Bukama und seine Freunde in seiner Kindheit beigebracht hatten: Achte auf alles, auch wenn du schläfst! Nur die Toten können es sich leisten, unaufmerksam zu sein. Lan blieb wachsam, aber die Große Fäule lag im Norden, Meilen jenseits der Berge, und doch konnte er sie spüren, konnte den Pesthauch des Verderbens riechen.
    Das lag nur an seiner Einbildung, wirkte deshalb aber nicht weniger real. Er hatte den Sog im Süden gespürt, in Cairhien und Andor, sogar in Tear, das fast fünfhundert Meilen entfernt lag. Er war zwei Jahre fern der Grenzländer gewesen, hatte seinen persönlichen Krieg zugunsten eines anderen aufgegeben, und der Sog war mit jedem Tag stärker geworden. Die Große Fäule bedeutete für die meisten Menschen den Tod. Tod und Schatten, ein verrottendes Land, das vom Atem des Dunklen gestreift worden war, wo alles mögliche tödlich sein konnte. Er hatte zweimal eine Münze geworfen, um zu entscheiden, wo er neu anfangen wollte. Vier Nationen grenzten an die Große Fäule an, aber dieser Krieg erstreckte sich über die gesamte Länge, vom Aryth-Meer bis zum Rückgrat der Welt. Ein Ort, dem Tod zu begegnen, war so gut wie der andere. Er war fast zu Hause. Fast wieder in der Großen Fäule.
    Ein trockener Burggraben umgab die Stadtmauer von Canluum, fünfzig Schritte breit und zehn tief; fünf breite Brücken aus Stein führten darüber, jede mit Türmen am Ende, die so hoch waren wie die der Stadtmauer selbst. Trollocs und Myrddraal drangen bei ihren Streifzügen aus der Großen Fäule nicht selten viel tiefer nach Kandor ein als bis Canluum, aber noch keiner hatte es geschafft, die Stadtmauer zu überwinden. Der Rote Hirsch wehte auf jedem Turm. Lord Varan, der Hohe Sitz des Hauses Marcasiev, war ein stolzer Mann; nicht einmal Königin Ethenielle ließ in Chachin selbst so viele ihrer Banner flattern.
    Die Wachen an den äußeren Türmen, die Helme mit Varans Geweihschmuck trugen und den Roten Hirsch auf der Brust hatten, schauten hinten in die Wagen hinein, ehe sie ihnen

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