Der siebte Schrein
zu sein.
In den ersten drei Gasthäusern, wo sie ihr Glück versuchten, würfelförmigen Gebäuden aus grauem Stein mit Schindeldächern und bunten Schildern, hatten die Wirte nicht einmal mehr winzige Kabuffs frei. Sie waren bis unter die Dächer von weniger wohlhabenden Händlern und Kaufleuten belegt. Bukama murmelte etwas davon, in einem Heuschober zu schlafen, aber mit keinem Wort erwähnte er die Daunendecken und Bettücher, die auf dem Hirschberg auf sie warteten. Im vierten Gasthaus, Zur Blauen Rose, überließen sie Stallknechten ihre Pferde, und Lan trat ein und war fest entschlossen, eine Unterkunft für sie zu finden, und wenn es den Rest des Tages dauern sollte.
Drinnen führte eine große, hübsche Frau mit graumeliertem Haar den Vorsitz über einen überfüllten Schankraum, wo Gespräche und Gelächter beinahe das schlanke Mädchen übertönten, das zur Zither sang. Pfeifenrauch kräuselte sich unter den Deckenbalken, und aus der Küche drang der Duft von gebratenem Lamm. Kaum sah die Schankwirtin Lan und Bukama, zupfte sie an ihrer blau-weiß gestreiften Schürze und kam mit einem scharfen Blick in den dunklen Augen auf sie zu.
Bevor Lan ein Wort sagen konnte, packte sie Bukama an den Ohren, zog seinen Kopf herunter und küßte ihn. Die Frauen von Kandori waren selten zurückhaltend, aber dennoch war es ein bemerkenswert inniger Kuß vor so vielen Leuten. Finger zeigten auf sie, und anzügliches Kichern wurde an den Tischen laut.
»Ich finde es auch schön, dich wiederzusehen, Racelle«, murmelte Bukama mit einem leisen Lächeln, als sie ihn endlich losließ. »Ich wußte gar nicht, daß du hier ein Gasthaus hast. Glaubst du . . .?« Er senkte den Blick, statt ihr unhöflich in die Augen zu sehen, und das erwies sich als Fehler. Racelle schlug ihm die Faust so fest an den Kiefer, daß sein Haar nach vorn fiel, als er rückwärts taumelte.
»Sechs Jahre ohne eine Nachricht«, sagte sie spitz. »Sechs Jahre!« Sie packte ihn wieder an den Ohren und gab ihm noch einen Kuß, diesmal länger. Nahm ihn mehr, als sie ihn gab. Jeder Versuch seinerseits, etwas anderes zu tun, als gebückt dazustehen und sie gewähren zu lassen, wurde durch ein brutales Ziehen an den Ohren vereitelt. Wenigstens würde sie ihm keine Messerklinge ins Herz bohren, wenn sie ihn küßte. Vielleicht nicht.
»Ich glaube, Frau Arovni könnte irgendwo ein Zimmer für Bukama finden«, sagte eine vertraute Männerstimme trocken hinter Lan. »Und für dich auch, schätze ich.«
Lan drehte sich um und umklammerte die Unterarme des außer Bukama einzigen Mannes in dem Raum, dessen Größe sich mit seiner messen konnte, Ryne Venamar, abgesehen von Bukama sein ältester Freund. Die Schankwirtin belegte Bukama weiterhin mit Beschlag, während Ryne Lan zu einem kleinen Tisch in der Ecke führte. Der fünf Jahre ältere Ryne war ebenfalls ein Malkieri, hatte sein Haar aber zu zwei mit Glöckchen geschmückten Zöpfen geflochten, Glöckchen zierten die umgeschlagenen Stulpen seiner Stiefel und die Ärmel seines gelben Mantels. Es war nicht ganz so, als ob Bukama Ryne nicht leiden konnte - nicht ganz -, aber in seiner derzeitigen Gemütsverfassung hätte nur Nazar Kurenin eine schlimmere Auswirkung auf ihn haben können.
Während die beiden es sich auf den Bänken gemütlich machten, kam eine Kellnerin in einer gestreiften Schürze und brachte gewürzten Glühwein. Offenbar hatte Ryne in dem Moment bestellt, als er Lan sah. Die junge Frau hatte dunkle Augen und volle Lippen und starrte Lan unverhohlen von oben bis unten an, als sie den Krug vor ihn stellte, dann flüsterte sie ihm ihren Namen ins Ohr, Lira, und eine Einladung, falls er die Nacht über bleiben wolle. In dieser Nacht wollte er nur schlafen, daher murmelte er, daß sie ihm zuviel der Ehre erweise. Lira ließ ihn nicht zu Ende sprechen. Mit einem rauhen Lachen bückte sie sich, biß ihm fest ins Ohr und verkündete, morgen früh bei Sonnenaufgang würde sie ihm soviel Ehre erwiesen haben, daß seine Beine ihn nicht mehr tragen würden. An den Tischen ringsum wurde erneut Gelächter laut.
Ryne vereitelte jede Möglichkeit, die Angelegenheit zu bereinigen, indem er ihr eine schwere Münze zuwarf und einen Klaps auf den Hintern gab, um sie loszuwerden. Lira schenkte ihm ein schelmisches Lächeln, als sie die Silbermünze in den Ausschnitt ihres Kleides schob, warf Lan aber über die Schulter lüsterne Blicke zu, die ihm ein Seufzen entlockten. Wenn er jetzt versuchte, nein zu
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