Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
war kein Haarbreit von ihrer Drohung abgerückt. Sie hatte sie laut ausgesprochen, also meinte sie es bei den Drei Eiden auch ernst. Unglaublich. War es Zufall, daß sie Meilyn Arganya und Kerene Nagashi erwähnt hatte? Das waren zwei Mitglieder von Tamras Suchtrupp. Konnte Cadsuane auch eine sein? Jedenfalls hatte sie Moiraine fein säuberlich für eine Woche oder mehr aus dem Spiel genommen. Zumindest wenn sie tatsächlich mit Merean und Larelle reiste. Aber warum nur eine Woche? Wenn die Frau an der Suche teilnahm . . . wenn Cadsuane von ihr und Siuan wußte . . . Wenn . . . Hier zu stehen und einen leeren Weinbecher in den Fingern zu drehen, brachte sie nicht weiter. Sie schnappte sich ihren Mantel.
    Eine ganze Anzahl von Leuten sahen sie an, als sie den Schankraum wieder betrat, manche mit mitleidigen Blicken. Zweifellos stellten sie sich vor, wie es sein mußte, im Brennpunkt der Aufmerksamkeit von drei Aes Sedai zu stehen, und konnten nichts Gutes daran finden. Die Gesichter der Schwestern drückten einhellig kein Mitgefühl aus. Felaana lächelte zufrieden; wahrscheinlich glaubte sie, daß der Name der Lady Alys schon so gut wie im Novizinnenbuch stand, Cadsuane war nirgends zu sehen, die beiden anderen auch nicht.
    Moiraine ging ziemlich erschüttert zwischen den Tischen hindurch. Zu viele Fragen, und keine Antworten dazu. Sie wünschte sich, Siuan wäre hier; Siuan wurde sehr gut mit Rätseln fertig, und nichts konnte sie erschüttern.
    Eine junge Frau sah von der Straße zur Tür herein, verschwand dann sofort wieder, und Moiraine kam aus dem Tritt. Wenn man sich etwas inbrünstig genug wünschte, bildete man sich ein, es zu sehen. Die Frau schaute wieder herein, die Kapuze ihres Mantels fiel auf den Rucksack, den sie trug, und es war tatsächlich Siuan, kräftig und hübsch, in einem schlichten blauen Kleid, dem man die lange Reise ansah, die es hinter sich hatte. Diesmal sah sie Moiraine, aber anstatt zu ihr zu eilen und sie zu begrüßen, nickte Siuan die Straße hinauf und verschwand erneut.
    Moiraine schlug das Herz bis zum Hals, als sie den Mantel um sich schlang und hinausging. Ein Stück weiter lief Siuan auf der Straße durch die Menge und drehte sich bei jedem dritten Schritt um. Moiraine folgte ihr rasch, und ihre Besorgnis wuchs.
    Siuan sollte sechshundert Meilen entfernt in Tar Valon sein und für Cetalia Delarme arbeiten, die das Netz von Augen und Ohren der Blauen Ajah leitete. Dieses Geheimnis hatte sie unfreiwillig preisgegeben, als sie über ihr Schicksal lamentierte. Die ganze Zeit, als sie Novizinnen und Aufgenommene gewesen waren, hatte Siuan davon gesprochen, in die Welt hinauszuziehen, die Welt zu sehen, aber Cetalia hatte sie an dem Tag beiseite genommen, als sie den Schal bekommen hatten, und am selben Abend schon sah Siuan Meldungen von Männern und Frauen durch, die überall in den Nationen verstreut waren. Ihr Verstand besaß die Gabe, Zusammenhänge zu erkennen, die anderen entgingen. Cetalias Macht entsprach der von Merean, und es würden noch drei oder vier Jahre vergehen, bis Siuan genügend Kraft gesammelt hatte, um Cetalia zu sagen, daß sie sich eine andere Arbeit suchen mußte. Eher würde es am Sonntag Schnee geben, als daß Cetalia ihr das durchgehen ließ. Und der einzige andere mögliche Grund für ihre Anwesenheit in Canluum . . . Moiraine stöhnte, und als ein Bursche mit großen Ohren, der Anstecknadeln aus einem Bauchladen verkaufte, sie besorgt ansah, warf sie ihm einen derart finsteren Blick zu, daß er zurückwich.
    Es sähe Sierin ähnlich, Siuan zu schicken, um sie zu holen, damit sie sich unterwegs gegenseitig mit ihrer Besorgnis anstecken konnten. Sierin war eine harte Frau ohne eine Spur von Barmherzigkeit. Eine Amyrlin sollte am Tag ihrer Ernennung Nachsicht üben und Strafen erlassen; Sierin hatte befohlen, daß zwei Schwestern mit der Rute gezüchtigt und drei ein Jahr aus der Burg verbannt wurden. Sie könnte Siuan auch gut und gerne die Strafe mitgeteilt haben, die sie zu verhängen gedachte. Moiraine erschauerte. Wahrscheinlich würde es Sierin gelingen, Arbeitsdienst, Einzelhaft, Geißelung des Fleisches und Geißelung der Seele miteinander zu verbinden.
    Hundert Schritte von dem Gasthaus entfernt drehte sich Siuan noch einmal um, wartete ab, bis sie sicher war, daß Moiraine sie gesehen hatte, und verschwand in einer Gasse. Moiraine ging ein wenig schneller und folgte ihr.
    Ihre Freundin ging unter den noch dunklen Öllampen, die diesen schmalen,

Weitere Kostenlose Bücher