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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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staubigen Durchgang säumten. Siuan Sanche, einer Fischerstochter aus dem härtesten Viertel von Tear, hatte vor nichts Angst, aber nun loderte Furcht in diesen scharfen blauen Augen. Moiraine machte den Mund auf, um sich ihre schlimmsten Befürchtungen über Sierin bestätigen zu lassen, aber die größere Frau sprach zuerst.
    »Sag mir, daß du ihn gefunden hast, Moiraine. Sag mir, daß es der kleine Najima ist und wir ihn vor den Augen von hundert Schwestern der Burg übergeben und es hinter uns bringen können.«
    Hundert Schwestern? »Nein, Siuan.« Das hörte sich nicht nach Sierin an. »Was ist los?«
    Siuan fing an zu weinen. Siuan, die das Herz einer Löwin und nie eine Träne vergossen hatte, wenn sie aus Mereans Arbeitszimmer gekommen waren. Sie schlang die Arme um Moiraine und drückte sie fest. Sie zitterte. »Sie sind alle tot«, murmelte sie. »Aisha und Kerene, Valera und Ludice und Meilyn. Sie sagen, Aisha und ihr Behüter wurden von Banditen in Murandy getötet. Kerene ist angeblich während eines Sturms im Alguenya über Bord gefallen und ertrunken. Und Meilyn . . . Meilyn . . .«
    Moiraine umarmte sie und gab beruhigende Laute von sich. Und sah bestürzt über Siuans Schulter hinweg. Sie hatten fünf der Frauen herausbekommen, die Tamra auserwählt hatte, und alle fünf waren tot. »Meilyn war . . . nicht mehr jung«, sagte sie langsam. Sie war nicht sicher, ob sie es überhaupt hätte sagen können, wenn Cadsuane nicht so offen gewesen wäre. Siuan zuckte erstaunt zusammen, und Moiraine zwang sich, fortzufahren: »Und das waren die anderen auch nicht, nicht einmal Kerene.« An die zweihundert war selbst für Aes Sedai nicht mehr jung. »Und Unfälle passieren wirklich. Banditen. Stürme.« Es fiel ihr selbst schwer, das zu glauben. Alle?
    Siuan stieß sich ab. »Du verstehst nicht. Meilyn!« Sie verzog das Gesicht und rieb sich die Augen. »Fischgedärm! Ich drücke mich nicht deutlich aus. Reiß dich zusammen, du verdammte Närrin!« Das letztere knurrte sie zu sich selbst. Merean und andere hatten keine Mühen gescheut, Siuan eine gepflegtere Ausdrucksweise anzugewöhnen, aber in dem Moment, als sie den Schal auf den Schultern trug, hatte sie einen Rückfall erlitten. Sie führte Moiraine zu einem umgekippten Faß ohne Spundzapfen und setzte sie darauf. »Du wirst nicht stehen wollen, wenn du hörst, was ich zu sagen habe. Was das betrifft, ich selbst will, verdammt noch mal, auch nicht stehen.«
    Sie zog eine Kiste mit gebrochenen Brettern ein Stück die Gasse herunter, setzte sich darauf, machte sich an ihren Röcken zu schaffen, sah zur Straße und murmelte etwas über Leute, die im Vorbeigehen hereinschauten. Ihr Zögern trug nicht dazu bei, Moiraines Magen zu beruhigen. Den von Siuan offenbar auch nicht. Als sie fortfuhr, schluckte sie immer wieder, wie eine Frau, die sich übergeben möchte.
    »Meilyn kehrte vor fast einem Monat in die Burg zurück. Warum, weiß ich nicht. Sie sagte nicht, wo sie gewesen war oder wohin sie wollte, hatte aber vor, nur ein paar Nächte zu bleiben. Ich . . . ich hatte von Kerene an dem Morgen erfahren, als Meilyn eintraf, und von den anderen davor. Darum beschloß ich, mit ihr zu sprechen. Schau mich nicht so an! Ich weiß, wie man vorsichtig ist!« »Vorsichtig« war ein Wort, das Moiraine nie mit Siuan in Verbindung gebracht hätte. »Jedenfalls schlich ich mich in ihr Zimmer und versteckte mich unter dem Bett. Damit die Dienerinnen mich nicht sehen sollten, wenn sie die Laken zurückschlugen.« Siuan grunzte säuerlich. »Ich bin da unten eingeschlafen. Bei Sonnenaufgang wurde ich wach, und sie hatte nicht in ihrem Bett geschlafen. Ich schlich mich also hinaus und ging zum zweiten Frühstück. Und während ich meinen Haferbrei löffelte, kam Chesmal Emry herein, um . . . Sie . . . Sie verkündete, daß Meilyn in ihrem Bett gefunden worden sei, daß sie im Lauf der Nacht gestorben wäre.« Den Schluß stieß sie in einem Atemzug hervor, sackte in sich zusammen und sah Moiraine an.
    Moiraine war sehr froh, daß sie saß. Ihre Knie hätten keine Feder tragen können. Sie war mit Daes Dae´mar großgeworden, dem Ränkeschmieden und den Verschwörungen, die das Leben in Cairhien beherrschten, den Schattierungen der Bedeutung eines jeden Wortes, jeder Tat. Dies hier war zuviel für Schattierungen. Ein Mord war geschehen. »Die Roten Ajah?« schlug sie schließlich vor. Eine Rote könnte eine Schwester töten, wenn sie glaubte, daß diese einen Mann schützte,

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