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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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untergehenden Sonne.
    Als ihr Schatten hinter ihr länger wurde, beschloß sie, die Männer zu vergessen und sich einen Schlafplatz zu suchen. Mit etwas Glück würde sie bald wieder Bauernhöfe sehen, und wenn ein wenig Silber ihr kein Bett verschaffte, dann mußte eben ein Heuschober genügen.
    Vor ihr hielten die drei Männer an und besprachen sich kurz miteinander; dann nahm einer das Lastpferd und bog in den Wald ab. Die anderen gaben den Pferden die Sporen und galoppierten weiter.
    Moiraine sah ihnen nach. Der Arafellin gehörte zu dem Paar, das sich rasch entfernte, aber da sie gemeinsam reisten, hatte er vielleicht seinem Gefährten erzählt, daß er eine Aes Sedai getroffen hatte. Und ein Mann würde sicher nicht soviel Ärger machen wie drei, wenn sie vorsichtig war. Sie ritt dahin, wo Reiter und Lastpferd verschwunden waren, und stieg ab.
    Fährtensuchen war etwas, das die meisten Ladies ihren Jägern überließen, aber in den Jahren, als Auf-Bäume-Klettern und Sich-schmutzig-Machen ein gleich großer Spaß gewesen waren, hatte sie sich dafür interessiert. Abgebrochene Zweige und aufgewirbeltes Herbstlaub hinterließen eine Spur, die ein Kind gefunden hätte. Nach rund hundert Schritten erspähte sie zwischen den Bäumen einen Teich in einer Senke. Der Mann hatte sein Pferd - ein edles Tier - bereits abgesattelt und ihm die Knöchel zusammengebunden und ließ gerade den Packsattel zu Boden. Es war der jüngere der Malkieri. Aus der Nähe sah er noch größer aus. Er öffnete den Schwertgürtel, setzte sich so, daß er den See vor Augen hatte, legte Schwert und Gürtel neben sich und stützte die Hände auf die Knie. Er schien über das Wasser zu sehen, das noch durch die spätnachmittäglichen Schatten funkelte. Er rührte keinen Muskel.
    Moiraine dachte nach. Er war offenbar hier zurückgelassen worden, um ein Lager zu errichten. Die anderen würden wiederkommen. Allerdings würden eine oder zwei Fragen nicht lange dauern. Und wenn er erschrocken war - zum Beispiel, weil eine Frau plötzlich direkt hinter ihm stand -, antwortete er vielleicht, bevor er nachdenken konnte. Sie band Pfeils Zügel an einem niederen Ast fest, raffte Mantel und Röcke und ging so leise wie möglich weiter. Ein flacher Erdhügel befand sich hinter ihm, und sie trat darauf. Zusätzliche Größe konnte nicht schaden. Er war ein sehr großer Mann. Und es könnte hilfreich sein, wenn sie ihr Messer in der einen und sein Schwert in der anderen Hand hatte. Sie kanalisierte und zog das Schwert samt Scheide von seiner Seite. Sie wollte ihn so gut es ging erschrecken.
    Er bewegte sich schneller als ein Gedanke. Sie schloß ihren Griff um die Scheide, und da schnellte er hoch, wirbelte herum, packte die Scheide mit einer Hand zwischen ihren beiden, und mit der anderen ihr Kleid an der Vorderseite. Bevor sie auch nur daran denken konnte, zu kanalisieren, flog sie durch die Luft. Sie hatte gerade noch Zeit zu sehen, wie ihr der Teich entgegenkam, gerade noch Zeit, etwas zu rufen, sie wußte selbst nicht, was, und dann prallte sie flach auf die Wasseroberfläche, so daß alle Luft ihre Lunge verließ, schlug mit einem gewaltigen Platschen auf und ging unter. Das Wasser war eiskalt! Saidar floh in ihrem Schock.
    Sie rappelte sich auf die Füße, stand bis zur Taille im eiskalten Wasser und hustete, das Haar klebte ihr am Gesicht, der vollgesogene Mantel hing an ihren Schultern. Wütend drehte sie sich um, damit sie sich ihrem Angreifer stellen konnte, und umarmte die Quelle erneut. Zur Prüfung für den Schal gehörte auch, unter großer Belastung in völliger Ruhe zu kanalisieren, und damals hatte man ihr wesentlich Schlimmeres angetan als das. Sie drehte sich um und war bereit, ihn niederzuschlagen und zu prügeln, bis er winselte!
    Er stand kopfschüttelnd da und betrachtete stirnrunzelnd die Stelle, wo sie gestanden hatte, einen großen Schritt von da entfernt, wo er gesessen hatte. Als er sich bequemte, sie zur Kenntnis zu nehmen, kam er ans Ufer des Sees, bückte sich und streckte eine Hand aus. »Unklug, einen Mann von seinem Schwert trennen zu wollen«, sagte er und fügte nach einem Blick auf die bunten Streifen ihres Kleides hinzu: »Mylady.« Kaum eine Entschuldigung. Er sah sie mit seinen erstaunlich blauen Augen nicht direkt an. Wenn er sich im stillen über sie lustig machte . . .!
    Sie murmelte unverständlich, stapfte ungeschickt so weit vor, daß sie seinen ausgestreckten Arm mit beiden Händen ergreifen konnte . . . und

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