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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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zu dienen, Mylady«, sagte er. »Nach Chachin, mein Leben vor Eurem.« Auch seine Augen waren blau, und auch er wollte sie nicht direkt ansehen. Sie hoffte, er würde sich nicht als Schattenfreund erweisen.
    Es stellte sich als schwierig heraus, irgend etwas zu erfahren. Unmöglich. Zuerst waren die Männer damit beschäftigt, das Lager aufzuschlagen, die Pferde zu versorgen, ein größeres Feuer zu entfachen. Sie schienen nicht begierig darauf zu sein, ohne dieses Feuer einer Nacht des neuen Frühlings ausgesetzt zu sein. Beim Essen, das aus Fladenbrot und Dörrfleisch bestand - Moiraine mußte sich zusammenreißen, damit sie es nicht hinunterschlang -, sprachen Bukama und Lan kaum ein Wort. Moiraines Magen wußte nur zu gut, daß sie den ganzen Tag nichts gegessen hatte. Ryne redete und war eigentlich ganz bezaubernd, er hatte Grübchen an den Wangen, wenn er lächelte, und ein Funkeln in den blauen Augen, gab ihr aber keine Gelegenheit, das Gasthaus Himmelspforte oder Aes Sedai zu erwähnen. Als sie schließlich fragte, warum er nach Chachin unterwegs sei, wurde sein Gesicht traurig.
    »Jeder Mensch muß irgendwo sterben«, sagte er leise, ging fort und richtete sein Nachtlager.
    Lan übernahm die erste Wache, er saß mit übereinandergeschlagenen Beinen nicht weit von Ryne entfernt, und als Bukama das Feuer löschte und sich neben Lan in seine Decken wickelte, wob sie um jeden Mann einen Geistzauber. Ströme von Geist, die sie auch im Schlaf kontrollieren konnte, und wenn sich ein Mann in der Nacht bewegte, würde der Zauber sie wecken, ohne die Aufmerksamkeit der anderen zu erregen. Das bedeutete, sie würde jedesmal wach werden, wenn die Wachablösung stattfand, aber das ließ sich nicht vermeiden. Ihre eigenen Decken lagen ein gutes Stück von denen der Männer entfernt, und als sie sich hinlegte, murmelte Bukama etwas, das sie nicht verstand. Aber Lans Antwort hörte sie in aller Deutlichkeit.
    »Eher traue ich einer Aes Sedai, Bukama. Geh schlafen!«
    Die ganze Wut, die sie unterdrückt hatte, flammte wieder auf. Dieser Mann warf sie in einen eiskalten See, er entschuldigte sich nicht, er . . .! Sie kanalisierte, verwob Luft und Wasser mit einer Spur Erde. Ein dicker Zylinder aus Wasser bildete sich über der Oberfläche des Sees, stieg im Mondschein höher und höher, neigte sich. Platschte auf den Narren herab, der seiner Zunge so freien Lauf ließ!
    Bukama und Ryne sprangen fluchend auf die Füße, aber sie ließ die Sturzflut andauern und hörte erst auf, als sie bis zehn gezählt hatte. Freigesetztes Wasser stürzte auf den Lagerplatz herab. Sie erwartete, einen durchnäßten, halb erfrorenen Mann zu sehen, der bereit war, gebührenden Respekt zu lernen. Er war tropfnaß, und ein paar kleinere Fische zappelten zu seinen Füßen. Er stand auf den Füßen. Und hatte das Schwert gezückt.
    »Schattenbrut?« fragte Ryne in fassungslosem Tonfall, und über ihm antwortete Lan: »Vielleicht! Bewach die Frau, Ryne! Bukama, nach Westen; ich laufe nach Osten!«
    »Keine Schattenbrut!« sagte Moiraine scharf, worauf sie wie angewurzelt stehenblieben. Sie starrten sie an. Sie wünschte sich, sie hätte in den Mondschatten ihre Gesichter besser sehen können, aber diese mit den Wolken fließenden Schatten waren auch ihr dienlich, umhüllten sie mit dem Hauch des Geheimnisvollen. Mit einer gewissen Anstrengung verlieh sie ihrer Stimme jedes Maß an kühler Abgeklärtheit der Aes Sedai, das sie aufbringen konnte. »Es ist unklug, einer Aes Sedai anders als mit Respekt zu begegnen, Meister Lan.«
    »Aes Sedai?« flüsterte Ryne. Trotz des trüben Lichts konnte man die Ehrfurcht auf seinem Gesicht erkennen. Vielleicht war es auch Angst.
    Niemand sonst gab einen Laut von sich, abgesehen von Bukamas mürrischen Brummen, als er sein Bettzeug aus dem Schlamm zog. Ryne verbrachte lange Zeit damit, seine Decken stumm anderswo auszubreiten, und verbeugte sich jedesmal unmerklich, wenn sie in seine Richtung sah. Lan unternahm keinen Versuch, sich abzutrocknen. Er begann sich eine neue Stelle für seine Nachtwache zu suchen, dann gab er es auf und setzte sich wieder dorthin, wo er gesessen hatte, in Schlamm und Wasser. Sie hätte es für eine Geste der Demut halten können, aber er sah sie an, und diesmal begegneten sich ihre Blicke beinahe. Wenn das Demut war, dann waren Könige die demütigsten Menschen auf Erden.
    Natürlich wob sie wieder ihre Zauber um die Männer herum. Wenn überhaupt, schien das um so zwingender, nachdem

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