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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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trugen ihre Schals noch. Das machten nur die wenigsten Schwestern, es sei denn bei Zeremonien oder aus Angeberei. Beide Frauen sahen Cadsuane nach, die in das Privatzimmer ging, gefolgt von zwei grauhaarigen Männern, die so hart wie Eichen vom letzten Jahr aussahen. Auch sie trug noch ihren Schal mit der weißen Flamme von Tar Valon auf der Rückseite. Es hätte jede von ihnen sein können. Cadsuane suchte vielleicht nach einem neuen Behüter; Grüne schienen ständig auf der Suche zu sein. Moiraine wußte nicht, ob Merean und Larelle Behüter hatten. Der Mann könnte finster dreingeblickt haben, weil er gehört hatte, daß er nicht geeignet wäre. Es gab hundert mögliche Erklärungen, und sie beschloß, nicht mehr an den Mann zu denken. Die eindeutigen Gefahren waren so real, daß man nicht noch zusätzliche erfinden mußte.
    Sie hatte noch keine drei Schritte in den Schankraum gemacht, als Meister Helvin in seiner grünen Schürze zu ihr gehuscht kam, ein kahler Mann und fast so breit wie hoch, und ihr ein neues Ärgernis präsentierte. Da drei weitere Aes Sedai in dem Gasthaus abgestiegen waren, mußte er mit den Betten ein wenig jonglieren, wie er sich ausdrückte. Die Lady Alys würde es gewiß nicht stören, ihres unter diesen Umständen zu teilen. Frau Palan sei eine höchst liebenswürdige Person.
    Haesel Palan war eine Teppichhändlerin aus Murandy mit dem singenden Tonfall von Lugard. Moiraine bekam mehr davon zu hören, als sie wollte, und zwar von dem Moment an, als sie das kleine Zimmer betrat, das ihr allein gehört hatte. Ihre Kleidung war aus dem Schrank geholt und an Haken an der Wand gehängt worden, Kamm und Bürste vom Waschbecken genommen und durch die von Frau Palan ersetzt worden. Die plumpe Frau wäre vielleicht »Lady Alys« gegenüber schüchtern gewesen, aber nicht gegenüber einer Wilden, von der jeder sagte, daß sie am Morgen aufbrechen würde, um Novizin in der Weißen Burg zu werden. Sie hielt Moiraine Vorträge über die Pflichten einer Novizin, nichts davon richtig. Sie folgte Moiraine zum Essen in den Schankraum hinunter und bat befreundete Händlerinnen mit an den Tisch, die allesamt ganz versessen darauf waren, von der Weißen Burg zu erzählen, was sie wußten. Was auf rein gar nichts hinauslief. Das allerdings diskutierten sie in aller Ausführlichkeit. Moiraine dachte, sie könnte dem allem entfliehen, indem sie sich früh auf das Zimmer zurückzog, hatte aber kaum das Kleid ausgezogen, als Frau Palan auch schon nachkam und redete, bis sie einschlief.
    Es war keine angenehme Nacht. Das Bett war schmal, die Ellbogen der Frau spitz, ihre Füße trotz der dicken Decke, die die Wärme des Ofens unter dem Bett hielt, eiskalt. Der Regen, der die ganze Zeit in der Luft gelegen hatte, fiel endlich, Wind und Donner ließen die Fensterläden stundenlang klappern. Moiraine bezweifelte, ob sie auch ohne das alles hätte schlafen können. Schattenfreund und Schwarze Ajah tanzten in ihrem Kopf. Sie sah, wie Tamra aus dem Schlaf gerissen und verschleppt wurde, an einen geheimen Ort verschleppt und von Frauen gefoltert wurde, die die Macht einsetzten. Manchmal hatten die Frauen Mereans Gesicht und das von Larelle und das von Cadsuane und das jeder Schwester, die sie je gesehen hatte. Manchmal wurde Tamras Gesicht ihr eigenes.
    Als in den dunklen Morgenstunden die Tür langsam und quietschend geöffnet wurde, umarmte Moiraine blitzartig die Quelle. Saidar strömte bis zu dem Punkt in sie ein, an dem Glücksgefühl und Freude fast in Schmerz übergingen. Nicht soviel von der Macht, wie sie in einem Jahr würde handhaben können, geschweige denn in fünf, aber ein Quentchen mehr würde ihr jetzt die Gabe ausbrennen oder sie töten. Eines war so schlimm wie das andere, aber sie wollte noch mehr herausziehen, und nicht nur, weil die Macht stets bewirkte, daß man nach mehr verlangte.
    Cadsuane streckte den Kopf herein, Moiraine hatte ihr Versprechen, ihre Drohung, vergessen. Cadsuane sah selbstverständlich das Leuchten, konnte sehen, wieviel Macht sie hielt. »Närrisches Mädchen«, sagte die Frau nur, bevor sie wieder ging.
    Moiraine zählte langsam bis hundert, dann schwang sie die Füße unter der Decke hervor. Jetzt war ein günstiger Zeitpunkt. Frau Palan drehte sich auf die Seite und fing an zu schnarchen. Moiraine kanalisierte Feuer, entzündete eine der Lampen und zog sich hastig an. Diesmal ein Reitkleid. Widerwillig beschloß sie, ihre Satteltaschen zusammen mit allem anderen zu

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