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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilach Mer
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flüsterte sie, und in diesem Moment stieß ihr Knöchel gegen das runde Ding. Es knirschte. Pipa zog hastig den Fuß zurück, aber er schien sich darin verfangen zu haben, denn es knirschte wieder, viel lauter als vorher, und dann polterte es dumpf, als das Ding angehoben wurde und wieder auf den Boden fiel. Mina zuckte zusammen, und ein kleiner, schriller Laut kam aus Pipas Mund. Sie schüttelte ihren Fuß, um ihn zu befreien. Das Ding rumpelte und knarrte. Rosa tauchte neben ihrer Schwester auf.
    »Was ist …« Sie brach ab, so plötzlich, dass Mina beinahe hörte, wie die Luft in das Loch zischte, dass die Wörter hinterlassen hatten. Was ihnen folgte, war nicht mehr als ein entsetzter Hauch.
    »Ein Wagenrad.« Rosa legte beide Hände auf den Mund. »Ein Wagenrad«, hörte Mina sie nur noch zwischen
den Fingern hindurchwispern, »sie haben ihn eingesperrt …«
    Sie riss die Hände wieder herunter und sagte mit viel lauterer, zitternder Stimme:
    »Mina, komm da sofort weg. Hörst du mich? Pipa, sieh zu, dass du das Ding loswirst. Mina, mach schon, komm da weg.«
    »Was ist mit dem Rad?«, fragte Pipa, während sie sich immer noch damit abmühte, den Fuß zwischen den Speichen hervorzuziehen. Rosa griff sie um die Mitte und stützte sie, damit sie nicht hinfiel.
    »Hörst du denn nie zu, wenn Lilja etwas erzählt? Ein Wagenrad klemmt im Hintereingang, und ich wette, vorne steckt auch eins. Wir haben es nur nicht gesehen, weil wir nicht nah genug herangegangen sind. Ein Wagenrad, Pipa! Damit sperrt man den Pug ein, damit er nicht hinauskann, wenn man … wenn man …« Sie stockte und schluckte schwer. »Wenn man das Haus anzündet.«
    »Aber …« Pipa hörte auf, an ihrem Fuß zu zerren, und drehte den Kopf zu ihrer Schwester. »Wer würde das denn tun? Sein eigenes Haus anstecken?«
    »Jemand, der verzweifelt genug ist.« Rosa bückte sich und zog heftig an dem Wagenrad. »Jemand, der unbedingt fort will und Angst hat, dass etwas aus dem alten Haus ihn verfolgt, wohin er auch zieht. Der Pug, Pipa, verstehst du nicht?«
    Sie zerrte, und die Speichen knirschten. Das Geräusch jagte Mina Schauer über die Haut. Der Brandgeruch schien schärfer zu werden.
    »Die Hausmenschen«, sagte Rosa, leiser jetzt und drängend, »wissen oft nicht, was sie tun. Sie nehmen die nützlichen
Dinge an, ohne sie zu verstehen, und wenn sich etwas zum Schlechten verändert, werden sie wütend und ängstlich. Sie tun nicht, was man tun müsste. Sie wollen nicht besänftigen. Sie wollen beherrschen. Aber ein Pug …« Ihre Stimme wurde noch leiser. »Ein Pug lässt sich nicht beherrschen. So wenig wie das Wetter. Er ist da, ob es den Menschen gefällt oder nicht, und wenn man ihn schlecht behandelt, kann er sehr zornig werden. Sehr, sehr zornig.«
    Wieder purzelten Möbelstücke in Minas Kopf durcheinander, gackerten Hennen mitten in der Nacht aufgeregt im Hühnerstall. Die Stille hinter dem Knacken des Holzes schien tiefer zu werden. Wie ein schwarzer Tümpel, der nachts auf einen einzigen falschen Tritt lauert …
    »So zornig«, wisperte Rosa, »dass es sich besser anfühlen kann, alles zu verlieren, was man hat, wenn man damit nur ihn auch verliert.«
    Mit einem knarzenden Ruck kam Pipas Fuß endlich frei. Sie und Rosa stolperten, hielten sich aneinander fest.
    »Aber dann«, sagte Pipa atemlos, »dann ist er tot, oder nicht? Nicht, Rosa?«
    »Nein«, sagte Rosa und drängte sie die Stufen hinunter, auf den Garten zu.
    Nein, dachte Mina beklommen. Nein, er ist nicht tot. Das ist es, was die Nixe gemeint hat. Das Haus steht noch; sie haben es schlecht gemacht, wer auch immer es war, der seinen Herdgeist mit Flammen überziehen wollte. Es steht noch, und jetzt … jetzt ist es sein Haus. Sein Haus allein. Ob er es will oder nicht. Eingesperrt zwischen den Wagenrädern, im Rauchgestank, zwischen verfallenen Wänden. Sein Haus. Für immer.
    »Mina, komm endlich!«

    Erst als sie das scharfe Drängen in Rosas Stimme hörte, merkte Mina, dass sie immer noch im Hintereingang stand. Ihre Hand lag auf dem Türrahmen.
    »Aber die Zinken!«, jammerte Pipa. »Die Zinken sagen …«
    Ja, dachte Mina und sah auf ihre Hand, die sich keinen Zentimeter bewegte. Die Zinken sagen, Tater sind dem Haus willkommen. Und vielleicht, wenn sie so lange dort unentdeckt gestanden haben … Vielleicht muss das Haus sich dann daran halten? Das Haus und alles, was darin ist?
    Der Gedanke fühlte sich seltsam richtig an. Aber Rosas Stimme wurde jetzt schrill, und

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