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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilach Mer
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lächerlich!«
    Die Glastür öffnete sich nicht.
    Es war beinahe unmöglich zu glauben. Mina starrte auf ihre Hand, den Schlüssel, der immer noch in der Tür steckte und arglos zu ihr aufblinkte.
    Die Glastür öffnete sich nicht.
    Hinter ihr lachte der Doktor plötzlich.

    »Ist wohl doch nicht so einfach, wie? Den Wahn zur Wirklichkeit zu machen? Warum siehst du es nicht endlich ein und gibst auf?«
    Durch das Glas schauten sie die Schwäne an. Völlig vor den Kopf geschlagen, dachte Mina:
    Es tut mir leid … Es tut mir leid, aber ich habe nichts, um die Tür zu öffnen. Ich dachte, ich hätte es, aber … aber ich habe es nicht. Der Schlangenkönig … Ob er gewusst hat, wie sehr er mich betrügen würde? Nichts habe ich, um euch zu befreien. Nichts außer …
    Sie sah auf ihre Hand hinunter, die immer noch den Schlüssel hielt. Ihre Hand, blass, schmal, mit schmutzigen Fingernägeln.
    Und schluckte; sehr hart.
    Es war massives Glas. Massiv genug, um wilde Schwäne zu halten. Und sie hatte nichts, um sich zu schützen. Nicht einmal das Kleid über ihren bloßen Armen.
    »Nun?«, fragte der Doktor hinter ihr. »Wollen wir jetzt allmählich doch vernünftig werden?«
    Mina hob das Bündel hoch.
    Hast du Mut? , fragte Liljas Stimme tief in ihr.
    Minas Herz zitterte wie ein trockenes Pappelblatt.
    Sie drehte das Bündel um, ließ alles auf den Rasen fallen. Die Akten, den Selam. Zog dann die Kordel wieder zu und wickelte sich den Stoff fest um die rechte Hand. Sie konnte nur eine Seite mit ihm bedecken.
    Aber sie brauchte all ihre Kraft.
     
    Sie schloss die Augen.
    In ihr bewegte sich das Land.
    Und dann bewegte es sie.

    Nach vorn, auf die großen Glasscheiben zu, so schnell wie Wolkenfetzen im Orkan; so langsam wie die Atemzüge des Waldes. Beide Hände zu Fäusten geballt. Widerstand, sehr hart, sehr kalt. Selbst durch den Stoff des Bündels. Ein Knistern, das die Nachtluft zerriss. Lauter; immer lauter und schärfer. Ein Knall, unter dem ihre Ohren taub wurden; und ein furchtbarer, heißer Schmerz in ihren Fingern, ihren Händen, ihren Armen. Das Glas zerbrach und trieb seine Scherben tief in ihr Fleisch, bis hinunter auf den Knochen.
    Sie schrie, aber die Stimme, die durch die Nacht gellte, war die des Doktors.
    »Was tust du da! Was tust du denn da!«
    Das Reißen und Knistern hörte nicht auf. Mina sah die Risse nicht, die durch die Scheiben glitten; aber sie fühlte sie. Unter Qualen versuchte sie, die Hände zurückzuziehen. Bis zu den Ellenbogen hinauf glitzerten ihre Arme, scharf und tödlich.
    Die nächste Scheibe zersprang knallend, und die nächste. Noch eine. Und noch eine. Die dünnen Metallstreben, die sie hielten, erzitterten. Scherben regneten auf Mina herab, und sie duckte sich, während es in ihr wimmerte vor Schmerz.
    Die Stimme des Doktors überschlug sich.
    »Du dummes, dummes , verrücktes Ding!«
    Knirschen. Reißen. Springen und Brechen. Mina kauerte sich zusammen, hielt den Arm, um den das Bündel geschlungen war, über sich. Glasregen auf ihrem Rücken, ihren Schultern. Brennende Stiche überall, Blut, so heiß und klebrig, und die Scherben glitzerten rot. Der Lärm wurde lauter und lauter. Metall fing an zu schreien, ganze
Platten von Glas lösten sich aus den Streben, zerbarsten donnernd im Gras um sie her. Zitternd wagte Mina es, unter dem Bündel hervorzuspähen. Ein winziges goldenes Pünktchen gleißte dort, wo der Schlüssel immer noch im Türschloss steckte; flirrte, bebte, als das Glashaus anfing, sich ächzend von einer Seite zur anderen zu neigen. Risse zuckten wie in einem Strahlenkranz durch die Türscheibe, aber noch hielt sie. Wie gebannt starrte Mina auf den tanzenden goldenen Punkt, sah ihn sich immer heftiger bewegen, immer schneller. Streben krachten und brachen. Ein Ruck ging durch die Tür, der Goldschimmer tat einen Sprung, Eisen kreischte schrill. Mina riss die Augen weit auf, als die Tür sich aus ihren Angeln löste. Einen Moment stand sie frei da, schwankend, vibrierend, während die Rissblitze durch das Glas fuhren und der goldene Schlüssel vor Minas Augen verschwamm. Sie hielt den Atem an.
    Dann neigte sich die Tür sacht nach hinten. Weiter; noch ein wenig weiter. In das Schwanenhaus hinein, in die Öffnung, gezackt jetzt, wie ausgefranst, die sie verschlossen gehalten hatte. Auf das dunkle Wasser des künstlichen Teiches zu, auf die vage Ahnung von weißen Federn, die wie ein Nebel in seiner Mitte lag.
    Oh Herrgott, dachte Mina hilflos. Herrgott, tu ihnen

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