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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilach Mer
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sie langsam und mit schwerer Zunge.
    Der Kater nickte.
    »Ja, Fräulein Mina. Jetzt sind wir sicher.«
    »Aber …« Es war so schwer, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. »Aber können sie nicht …«
    »Nein.« Einen Augenblick lang sträubten sich Tausendschöns Schnurrhaare. »Nein, sie können uns hier nichts anhaben, und das wissen sie auch. Sie werden nicht hierherkommen.«
    »Warum?«, flüsterte Mina.
    Er hob eine Pfote und deutete am Feuer vorbei in das kurze, feuchte Gras.
    »Sehen Sie das dort?«

    Und ja, sie konnte es sehen, selbst unter dem Regen. Kleine, blasse Blumen, Dutzende davon. Mit winzigen Köpfchen und schmalen, spitz zulaufenden Blütenblättern.
    »Es ist ein sehr breiter, dichter Ring«, sagte Tausendschön leise. »Um das ganze Taterlager herum. Haben Sie wirklich nicht gewusst, was das Taterlock ist, Mina? Das Loch, das kleine Tal, in dem die Tater rasten. Und jetzt sitzen Sie mitten darin, und die Tater sind um Sie her und haben Ihnen das Leben gerettet.«
    »Tater …« Mina konnte die Augen nicht mehr offen halten. Weich und schnurrend klang Tausendschöns Stimme zu ihr herüber, schon fast wie in einem Traum.
    »Zigeuner, meine liebe Mina. Nennt ihr sie nicht so, auf den vornehmen Gütern? Tater, Zigeuner. - Aber die Blumen, Mina, die Blumen werden Sie doch kennen. Sie tragen ihre Farbe ja auf Ihrem Mantel, oder nicht? Ein blasses Himmelblau. Wissen Sie, wie man einen solchen Kreis nennt, einen Kreis wie den, in den wir uns geflüchtet haben?«
    »Ja«, hauchte sie, obwohl sie tief in sich spürte, dass es falsch war, zu antworten; dem Wirklichkeit zuzugestehen, was nicht wirklich sein konnte. Aber etwas, das noch tiefer ging, erlaubte ihr nicht zu schweigen. »Es ist … ein Feenkreis .«
    Jemand fing sie auf, als sie nach hinten sank. Der Becher wurde ihr aus der Hand genommen und sanft an ihre Lippen gehalten. Sie trank; einen, zwei Schluck von einer brennend heißen Flüssigkeit, die nach Sommer schmeckte. Dann sackte ihr Kopf zur Seite, und sie wusste nichts mehr.

In ihren Träumen erklang die Spieluhr. Leise, wie aus weiter Ferne, drangen die zerbrechlichen Töne zu ihr. Sie wäre gern aufgestanden, um nach ihr zu suchen, zu sehen, wer es war, der sie aufgezogen hatte. Aber ihre Beine waren eingeklemmt unter einem viel zu niedrigen Schultisch, und da war ein riesiger Haufen Wolle vor ihr, und Mademoiselles Augen musterten sie streng.
    Stricknadeln klapperten. Sie sah auf ihren Schoß hinunter, ihre Hände bewegten sich. Was war das, was sie strickte? Ein Hemdchen, winzig klein, wie für ein Wickelkind … Die Nadeln klebten an ihren Fingern, ihre Haut brannte, dort, wo die Wollfäden darüberglitten. Sie wollte loslassen, aber ihre Hände strickten weiter, als ob sie wirklich an den Nadeln festklebten.
    »Eine junge Dame gibt nie mitten in der Arbeit auf, n’est-ce pas? «
    Mademoiselle schob ihr den Stoß Wolle noch weiter hinüber, er fiel beinahe vom Tisch auf sie hinunter und ragte jetzt so hoch vor ihr auf, dass sie nicht mehr darübersehen konnte.
    Mademoiselle, wollte sie sagen, aber es kam kein Laut
aus ihrem Mund. Mademoiselle, für wen muss ich das Hemdchen stricken? Es gibt keine kleinen Kinder in der Familie … Ihre Kehle zog sich zusammen, anstatt die Worte hinauszulassen. Sie drehte sich auf dem viel zu kleinen Stühlchen, und ihr Blick fiel auf etwas Helles, neben ihrem Knie. Kinderhemden, sorgfältig gefaltet und aufeinandergestapelt … Es mussten Dutzende sein. Sie wusste, wie man Dinge in Träumen weiß, dass sie sie alle gestrickt hatte, jedes Einzelne davon, in Stunden, Tagen, Monaten, während die Spieluhr irgendwo draußen spielte und spielte. Und immer noch klebten ihre Finger an den Nadeln, immer noch bewegten sich ihre Hände hin und her, und sie konnte dabei zusehen, wie das nächste Hemdchen auf ihrem Schoß wuchs.
    Sie spannte die Arme an, versuchte, die Hände wegzuziehen. Die Nadeln lösten sich nicht voneinander. Da, da war schon ein Ärmel zu erkennen, kaum breiter als zwei, drei Finger, und da, der Halsausschnitt … Wieder zog sie, und wieder strickten ihre Hände weiter, als ob sie nicht zu ihr gehörten. Die Haut brannte jetzt wie Feuer.
    Mademoiselle, wollte sie rufen, irgendetwas ist mit der Wolle, sehen Sie doch, sie glitzert so seltsam, als ob sie voller winziger Steinsplitter wäre, und sie tut mir weh, Mademoiselle, sie tut mir so schrecklich weh!
    Aber der Berg aus Wolle türmte sich so hoch, sie sah nicht einmal mehr

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