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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilach Mer
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aber sie folgten ihr ebenso wie die anderen, als sie anfing, nach dem Weg zu suchen.
    Keiner fragte nach der Wiese, obwohl Zinni ihr immer wieder neugierige Blicke zuwarf. Nicht einmal mit Hilfe des Selams hätte Mina ihnen erklären können, was geschehen
war. Lilja und Nad schienen ihre eigenen Vermutungen zu haben; sie musterten sie von Zeit zu Zeit, Nad mit einer schwachen, unbestimmten Sorge in den Fältchen um seine Augen, Lilja mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln im Mundwinkel. Aber auch sie sagten nichts, folgten ihr wortlos in das Unterholz.
    Als sie den Weg fand, ein paar flache Steine unter alten Blättern, wunderte Mina sich nicht darüber. Vielleicht gab es nur eine bestimmte Menge Staunen, Verwirrung und Furcht, die ein Mensch empfinden konnte, und auf der Schlangenwiese schien sie diese Menge überschritten zu haben. Während Mina die losen Blätter beiseitewischte, war in ihr alles ruhig. Nein, sie wusste nicht wirklich, was sie da tat; aber es fühlte sich an, als ob sie es wüsste. Und für den Moment schien das zu genügen.
    Der Weg war so alt, dass nicht das Moos in den Ritzen zwischen den Pflastersteinen wucherte, sondern die Steine weit verstreute Lücken im grünen Samtteppich bildeten. Erst wenn man wusste, dass er da war, konnte man ihn sehen.
    »Ist das hier «, fragte Zinni, »oder ist es dort ?«, und Mina wusste genau, was er meinte. Für einen Augenblick stellte sie sich dieselbe Frage. War es ein weites Feld, über das sie gingen, außerhalb des Waldes, in der anderen Wirklichkeit? Zog eine Herde Rehe durch sie hindurch, gerade jetzt, ohne etwas zu spüren? Oder standen sie in jemandes Küche, die Mädchen um den Tisch versammelt, und die Worte des Dankgebets nach dem Essen verwehten in einem schwachen, seltsamen Luftzug? Was würde geschehen, wenn sie jetzt fest die Augen schloss und versuchte, den Weg zurückzugehen, wie Nad es ihr beschrieben hatte?

    »Ist das wichtig?«, antwortete Nad und kitzelte Zinni unter dem Kinn, bis er gluckste, und Mina schob den Gedanken beiseite. Aus den Sonnenflecken, die zwischen den Blättern über ihr schimmerten, schienen die goldenen Augen des Schlangenkönigs sie immer noch anzustarren. Geh nur, Menschenmädchen. Finde deinen Schatz. Entschlossen setzte sie ihren Fuß auf den Weg.
    Es war ein eigenartiges Gefühl, wieder Steine unter den Stiefeln zu haben, das Schaben zu hören, mit dem sie sich an den Sohlen rieben. Die Absätze klackten laut, wenn sie fest auftrat; es hallte zwischen den Bäumen. Mina ging schneller, als sie es vorgehabt hatte. Das Bündel an seiner Kordel hüpfte auf ihrem Rücken. Hinter sich hörte sie die Tater reden. Ihre bloßen Füße machten nicht das leiseste Geräusch.
    Ein runder, schwarzpelziger Kopf schob sich aus einem Gebüsch dicht bei ihr.
    »Nun, Fräulein Mina?«, sagte Tausendschön und leckte sich das Mäulchen, aus dem ein Mottenflügel ragte wie eine eigenartige Zigarre. »Weiter unterwegs, wie ich sehe? Hat der alte grüne Wurm auf der Wiese Ihnen ein paar seiner Geheimnisse verraten, ja?«
    Neben ihr fiel er in seinen schlendernden Katzengang. Sie hätte schwören können, dass er lächelte, während er zu ihr aufsah.
    »Ein schlauer Kopf, dieser Wurm. Und misstrauisch. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie es bis zu ihm schaffen würden. Er liebt die Menschen nicht sehr. Aber das werden Sie wohl bemerkt haben.«
    Mina nickte und machte gleichzeitig ein fragendes Gesicht. Tausendschön fächerte die Schnurrhaare auseinander.

    »Oh, Sie fragen sich, woher ich ihn kenne? Nun, ich bin ein Kater, nicht wahr? Und er ist ein Wurm. Eine Art Wurm, immerhin. Ein lebendiger, dicker Faden, wenn Sie so wollen. Sehr unterhaltsam, wenn auch nicht unbedingt schmackhaft. Man kennt sich untereinander, wissen Sie. Vor einiger Zeit habe ich eines seiner Nester entdeckt. Sie sind kaum dicker als Streichhölzer, die kleinen, ringelnden Dinger … Er hat mir einiges an Versprechungen gemacht, wenn ich sie nicht anrühre. Ich bin nicht darauf eingegangen, habe die dünnen Dinger aber nicht gefressen, nur ein wenig durch die Gegend gerollt. Und nun steht er in meiner Schuld, der alte Wurm.«
    Im Waldschatten leuchteten seine Augen wie zwei gelbe Lampen zu ihr auf.
    »Sie haben sich wohl einiges von dem angehört, was er zu sagen hatte? Das war vielleicht klug von Ihnen.« Er schlug mit dem Schwanz. »Vielleicht auch nicht. Wie ich schon sagte, es ist ein schlauer Wurm, der sich da auf den Steinen rekelt. Und er liebt die

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