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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilach Mer
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    Mina biss sich auf die Lippen. Ihre Handflächen wurden feucht.
    Rosa legte ihr den Arm um die Schultern.

    »Wir finden einen anderen Weg«, sagte sie. »Mach dir keine Sorgen. Vielleicht irrt Lilja sich ja.«
    Mina sah sie an und versuchte ein Lächeln, während sie den Kopf schüttelte. Hinter Rosa stand Pipa. Auch sie lächelte. Ihr runder Mund wurde dabei ganz schmal und hart.
    Rosas Arm glitt von Minas Schulter, als sie wieder nach vorne trat.
    »Ich komme mit«, sagte Zinni und stellte sich neben sie. »Wir kommen alle mit dir.«
    Nein, sagte irgendetwas in Mina. Wieder schüttelte sie den Kopf. Und weder Nad noch Lilja widersprachen ihr.
    Vielleicht hatte sie darauf gehofft, dass sie es täten. Dass sie sagten, man könne es doch erst einmal mit dem anderen Weg versuchen, dem, den Viorel vorgeschlagen hatte. Aber sie schwiegen, und also gab es ihn auch nicht. Es gab nur diesen einen Weg. Auf die Schlangenwiese.
    Minas Knie zitterten. Sie ging so langsam, dass die langen Gräser träge an ihrem Körper vorbeistrichen. Nach sechs Schritten sah sie den ersten dunklen Knoten im Grün. Drei oder vier Schlangen, mit dünnen, schimmernden Leibern, ineinander verflochten. Sie hoben die schmalen Köpfe, als sie die Schritte des Menschenwesens hörten, das sich auf ihre Wiese wagte und sie beim Sonnen störte. Und sie zischten, nicht mehr leise, sondern scharf und stechend in Minas Ohren. Sie geriet ins Stolpern, fing sich noch im letzten Moment. Tapste auf wackligen Beinen an dem dunklen Knäuel vorbei, um beinahe auf das Nächste zu treten.
    Das Zischen wurde lauter, je weiter sie ging. Es erfüllte die Luft, löschte jedes Waldgeräusch aus. Die Sonne glänzte auf den sich windenden Schuppen, und selbst das schien ein Zischen zu verursachen.

    Wo war die Blume? Mina starrte so eindringlich ins Gras, dass sie sie beinahe aus den Augen verlor. Dort drüben, immer noch dort, nicht hier. Ihre Hände waren feucht und glitschig. Sie wischte sie am Kleid ab.
    Es war gut, so gut, dass sie die Stiefel wieder angezogen hatte. Sie sagte es sich immer wieder, es lenkte sie ein wenig von der Furcht ab, die ihr den Hals zuschnürte. Immer wieder, und vielleicht zu oft. Nach einer Weile drängte sich der Gedanke auf, sie würde mit bloßen Füßen vielleicht weniger Lärm machen, die Schlangen weniger stören. Wie verärgert sie wirkten, wenn sie so ruckartig die Köpfe hoben! Wie ihre winzigen schwarzen Augen blitzten! Dort kamen welche aus einem Knoten heraus, sie waren größer als die anderen und dunkler. Sie wanden sich zwischen den Gräsern auf Minas Beine zu. Wie schnell sie waren!
    Mina schrie auf, ohne jeden Laut. Die Schlangenkörper wellten sich auf sie zu. Sie fing an zu laufen, auf die Blume zu, den Steinhaufen, an den sie sich lehnte. Das Gras unter ihr erwachte zischend zum Leben. Schuppen streiften ihre Wade unter dem Kleid, sie sprang in die Höhe, und aus dem Laufen wurde ein Rennen. Jeder einzelne Grashalm schien sich in eine Schlange zu verwandeln.
    Endlich, endlich kam sie zu dem Steinhaufen, und beinahe hätte sie sich darauf geworfen, die Füße bis zum Kinn angezogen, nur fort von den starren Augen, den spitzen, scharfen Zähnen! Aber dort, auf dem obersten Stein, lag ein weiterer dunkler Schatten.
    Schmale Köpfe an langen Leibern wuchsen daraus empor, und viele glänzende Augen starrten sie an. Es mussten ein Dutzend Schlangen sein, die sich jetzt mit wispernden
Schuppen aus ihrem Knoten wanden. Am liebsten hätte Mina sich die Augen zugehalten.
    Was jetzt? , schrie sie lautlos die Blume an, die sich im leichten Wind gleich neben dem Steinhaufen wiegte. Was soll ich denn jetzt nur tun?
    »Nichts«, sagte die Blume, »nein, tu mir nichts! Wag es nicht, sonst hetze ich meine Wächter auf dich!«
    Sie hatte eine schneidende, zischelnde Stimme. Mina fühlte, dass ihr der Mund offen stehen blieb.
    »Ich sage es dir, Menschenmädchen, wage es nicht, mich anzurühren! Ich werde mir das nicht noch einmal gefallen lassen!«
    Hinter den drohenden Schuppenleibern erhob sich langsam ein weiterer Kopf. Er war größer, viel größer, und nicht dunkel, sondern leuchtend golden; beinahe wie fließendes Metall. Die Schuppen strahlten und schimmerten.
    Mina starrte die große Schlange an.
    Eine lange, gespaltene Zunge flitzte aus einem lippenlosen Mund.
    »Geh weg, hörst du mich? Eine Krone habe ich schon an euch Gesindel verloren, jetzt kommst du und willst mir noch diese rauben! Ich gebe

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