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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilach Mer
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Menschen nicht. Aber Sie haben einen eigenen Kopf auf den Schultern und treffen Ihre eigenen Entscheidungen.«
    Wieder streifte der buschige, seidige Schwanz ihren Rock wie ein aufmunternder Klaps.
    Mina schüttelte den Kopf. Aber so wenig, wie man einer Schlange vorwerfen konnte, dass sie einen listig ansah, so wenig konnte man es wohl einer Katze verübeln, wenn sie sich rätselhaft benahm.
    Schweigend gingen sie nebeneinanderher. Jetzt, wo sie den Weg betreten hatten, war es nicht schwer, ihm zu folgen. Die Bäume wölbten sich über ihm, fast wie der Laubengang zu Hause, der zum Pavillon führte. An warmen Nachmittagen
saß die Mutter manchmal dort und stickte, ein Glas Zuckerwasser auf dem Tischchen neben sich.
    Der Gedanke stach. Im Gehen bückte Mina sich und strich Tausendschön über den weichen Rücken.
    »Oh«, sagte der Kater, »streicheln Sie ein schlechtes Gewissen weg? Nur zu, ich bin Ihnen gerne behilflich. Und wenn Sie schon dabei sind: Seit Stunden juckt es mich hinter dem einen Ohr, wissen Sie, rechts …«
    Sie musste lachen, und die Gedanken verblassten.
     
    Der Weg wurde breiter, je länger sie ihn gingen. Es fiel einem nicht gleich auf. Nur ab und an, wenn man zur Seite blickte, waren die Stämme wieder ein kleines Stück weiter zurückgewichen. Bald hätten mehrere Menschen nebeneinander auf ihm gehen können, und die Tater hinter Mina machten es auch so, hakten sich ein, redeten und lachten. Es tat ihr wohl, sie zu hören. Aber sie blieb nicht stehen, um sie aufholen zu lassen.
    Bald wurde der Weg breit genug für eine Kutsche, und kleine, schwache Geräusche stiegen von den Steinen auf. Sie kamen nicht von den Tatern und nicht von Minas Stiefeln. Die anderen schienen sie nicht zu bemerken; nur der Kater legte die Schnurrhaare an, und als es neben ihnen knirschte wie große, hölzerne Räder auf dem Stein, sagte er leise:
    »Ah. Ich verstehe.«
    Sie ließ sich nicht darauf ein. Sein Fell blieb glatt und weich, er kam ihr nicht beunruhigt vor, nur nachdenklich, soweit sie das sagen konnte. Das genügte ihr. Sie konnte nicht noch mehr Rätsel gebrauchen.
    Unter dem Klang ihrer Absätze begannen Hufschläge zu
klappern, schwach, wie aus weiter Ferne. Stimmen mischten sich in das Rauschen der Blätter, zu leise, um sie zu verstehen. Sie klangen fröhlich, beinahe hätte man sie mit dem Plaudern der Tater verwechseln können. Aber nur beinahe.
    Der Weg, dachte Mina, ohne zu wissen, woher dieser Gedanke kam, der Weg ist von unseren Schritten aufgewacht. Ein wenig nur, und jetzt säuselt er im Halbschlaf. Von Erinnerungen vielleicht … Landpartien an schönen Sommertagen, bunte Bänder an Strohhüten, die über den Steinen flattern. Vielleicht hat sich ihr tanzender Schatten wie ein Streicheln für ihn angefühlt.
    Ein vages Gefühl berührte sie von weit her, eine ganz zarte, versonnene Melancholie. Etwas war gewesen, gerade hier; eine eigene Wirklichkeit, die nicht mit dem Wald verbunden war und nicht mit der Welt, aus der sie kam. Etwas war gewesen, auf dem Weg und dorthin, wohin er führte; und es war vergangen. Der Wald hatte seine grünen Arme darum gelegt, Trost gebracht, aber nicht Vergessen. Die Vergangenheit war es, die unter dem gleichmütigen Rascheln der Blätter zu atmen begann.
    Es ging bergab, langsam, aber spürbar. Der Weg neigte sich einen Hügel hinunter, und bald schienen sie auf ein kleines Tal zuzuwandern. Die Bäume füllten es an, Mina sah es nur, weil ihre Kronen weiter vorn viel niedriger waren als dort, wo sie ging. Zwischen dem Braun und Grün begann hier und da eine andere Farbe aufzutauchen, matt, wie von Staub bedeckt. Ein stumpfes Grau, wie die Steine unter ihnen.
    Lilja schloss zu ihr auf und ging neben ihr her, der Rock schwang weit und raschelnd um ihre Beine.

    »Wir sind bald da«, sagte sie, »wo immer Da auch sein mag. Der Weg wird müde und will sich an einer Schwelle ausruhen.«
    Tausendschön hob den Kopf und ließ sich von ihr im Gehen die Stirn kraulen.
    »In der Tat«, sagte er unter dem Schnurren, »wir sind da, aber wir sind unhöflich zu früh. Was für einen Schatz der alte Schlangenkönig unserem Fräulein Mina auch versprochen haben mag: Solange es hell ist, wird er sich kaum finden lassen. Es ist nicht die Art von Schätzen, es einem Sucher so leichtzumachen.«
    Lilja nickte. »Das glaube ich auch. Wir werden warten müssen, bis es dunkel wird, wenn wir angekommen sind. Aber mir gefällt der Gedanke nicht.«
    Mina sah sie überrascht an.
    »Der

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