Der siebte Sinn der Tiere: Warum Ihre Katze weiß, wann Sie nach Hause kommen, und andere bisher unerklärte Fähigkeiten der Tiere (German Edition)
Duftfährten, Tanzmuster und so weiter zu interpretieren und entsprechend zu reagieren.
Die sinnliche Kommunikation an sich würde keineswegs genügen, um zu erklären, wie es beispielsweise Termiten gelingt, so erstaunliche Gebilde wie bis zu drei Meter hohe Nester zu bauen, die voller Galerien und Kammern und sogar mit Ventilationsschächten ausgestattet sind. Diesen Insektenstädten liegt ein Gesamtplan zugrunde, der über das Vermögen irgendeines einzelnen Insekts weit hinausgeht.
Karl von Frisch, der den Schwänzeltanz der Bienen entdeckte, hat ein ausgezeichnetes Buch über Tierarchitektur geschrieben, in dem er die komplexen Bauten von Termiten schildert. Die Insekten sind blind und können einander zwar nicht sehen, aber sie markieren Fährten mit Duftstoffen, so dass andere Termiten ihnen folgen können, und geben Klopfsignale von sich, indem sie mit dem Kopf auf eine harte Oberfläche schlagen. Allerdings räumt von Frisch ein: »Aber beide Arten der Kommunikation sind inhaltsarm. Die Geruchsspur kann zu einem Ziel führen, sie sagt aber nicht, was dort geschehen soll. Die Klopfzeichen sind Alarmsignale, durch welche die Arbeiter von den Soldaten oder von Arbeitskameraden zu schleuniger Flucht ins Innere ihres Bauwerks veranlasst werden. Das Trommeln bewirkt Erschütterungen der Unterlagen, die durch sehr empfindliche Sinnesorgane in den Beinen von anderen Tieren wahrgenommen werden. Sie bedeuten nur ›Alarm‹.« Abschließend meint Frisch: »Und doch beweisen die vollendeten Bauwerke, dass die Tätigkeit der Baumeister nach einem übergeordneten Bauplan geregelt ist und sich nach den Bedürfnissen der Gemeinschaft richtet. Wie das bei den blinden Arbeitern in der enormen Weite eines Millionenvolkes möglich ist, ahnen wir nicht.« [139]
Glücklicherweise ist von dem südafrikanischen Naturforscher Eugene Marais bereits ein ganz wichtiges Experiment durchgeführt worden, das ein wenig Licht in dieses Dunkel wirft. Zunächst beobachtete er, wie Arbeiter einer bestimmten Termitenart Breschen flickten, die er in ihre Hügel schlug. Die Arbeiter begannen beiderseits der Bresche mit der Reparatur des Schadens, indem jeder ein mit seinem klebrigen Speichel bedecktes Erdkrümelchen herbeitrug und es in der Lücke befestigte. Die Arbeiter hüben und drüben kamen nicht miteinander in Berührung, und da sie blind waren, konnten sie einander auch nicht sehen. Dennoch passten die auf beiden Seiten angebrachten Bauteile richtig zusammen. Die Reparaturarbeiten wurden anscheinend von irgendeinem übergeordneten Organisationsmuster koordiniert, das Marais der »Gruppenseele« zuschrieb. Ich würde hier von einem morphischen Feld sprechen.
Dann wollte er wissen, was passierte, wenn die Termiten, die die Lücke reparierten, voneinander durch ein Hindernis getrennt wurden. Er halbierte den Termitenhügel durch eine Stahlplatte. Nun konnten die Bauarbeiter auf der einen Seite der Lücke auf sensorische Weise nichts von denen auf der anderen Seite wissen:
»Dennoch errichten die Termiten beiderseits der Platte ähnliche Bögen oder Türme. Entfernt man die Stahlplatte schließlich, so fügen sich beide Hälften nach der Schließung der Lücke perfekt zusammen. Wir kommen nicht an der Schlussfolgerung vorbei, dass irgendwo ein fertiger Plan existiert, den die Termiten lediglich ausführen.« [140]
Leider hat noch niemand dieses Experiment wiederholt, auch andere Experimente von Marais nicht, die anscheinend ebenfalls zeigten, dass die Angehörigen der Kolonie miteinander durch eine »unsichtbare Seele« verbunden waren. Ich glaube, dass wir hier ein unglaublich fruchtbares Forschungsgebiet vor uns haben. [141] Wenn das Verhalten sozialer Insekten von einer Art Feld koordiniert wird, das bislang von der Biologie wie von der Physik nicht erkannt worden ist, könnten uns Experimente mit sozialen Insekten einiges über die Eigenschaften und die Beschaffenheit solcher Felder verraten, die durchaus auf allen Ebenen einer sozialen Organisation, auch der unseren, wirksam sein können.
Einige unerwartete und faszinierende Beobachtungen von Deborah Gordon und ihren Kollegen von der Stanford University an Ernteameisen in der Wüste von Arizona legen eine andere mögliche Forschungsrichtung nahe. Um zu studieren, wie die Ameisen Aufgaben innerhalb der Kolonie tauschten, sammelten die Forscher einige Ameisen und markierten sie farblich, bevor sie sie wieder freiließen, und untersuchten, welche Aufgaben sie an aufeinanderfolgenden
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