Der siebte Sinn der Tiere: Warum Ihre Katze weiß, wann Sie nach Hause kommen, und andere bisher unerklärte Fähigkeiten der Tiere (German Edition)
Tanzgruppen durchgeführt wurden. Die Tänzer probten besondere Manöver, und in einigen Experimenten wurden diese Manöver von einer bestimmten Person ohne Vorwarnung eingeleitet, und die Geschwindigkeit, mit der sie sich entlang der Reihe der Tänzer fortpflanzte, wurde anhand von Filmaufnahmen geschätzt. Sie betrug im Durchschnitt 107 Millisekunden von Tänzer zu Tänzer – und das war fast doppelt so schnell wie eine durchschnittliche visuelle Reaktion beim Menschen (194 Millisekunden). Potts erklärte, dies hänge davon ab, wie der Einzelne die sich nähernde Manöverwelle sehe und ihre Ankunftszeit im Voraus einschätze.
Anders gesagt: Potts betrachtet die Vögel oder die Revuegirls, die auf die Manöverwelle reagieren, als ein Ganzes. Sie reagieren weniger auf andere Individuen als vielmehr auf das sich ausbreitende Muster selbst. Das sieht ganz nach einem Feldphänomen aus, und ich behaupte, die Manöverwelle ist ein Muster im morphischen Feld. Für mich ist dies jedenfalls eine plausiblere Erklärung als die Alternative, nämlich dass die ganze Welle durch rein visuelle Reize koordiniert würde. Das hieße ja, dass die Vögel in der Lage wären, solche Wellen fast augenblicklich zu spüren, zu bemerken und darauf zu reagieren, sogar wenn sie direkt hinter ihnen einsetzen. Sie müssten also eine praktisch ständige, unverwandte, 360 Grad erfassende Aufmerksamkeit haben. Mit der Feldhypothese hingegen ließe sich leichter verstehen, wie die Vögel nicht nur die Manöverwelle als Gestaltphänomen wahrnehmen und darauf reagieren, sondern die Bewegung der Schar als Ganzes erfassen und darauf entsprechend ihrer Position darin reagieren können. Das Feld bildet die Basis für das Kontinuum der Schar und für die Bewegung von Mustern durch sie. [152]
Seit den 1980er Jahren hat es viele Versuche gegeben, das Verhalten von Vogelscharen und Fischschwärmen durch Computermodelle darzustellen. Craig Reynolds entwickelte eines der bekanntesten Modelle, das er »Boid« nannte. [153] Dieses Modell war zwar zweidimensional, schien aber auf den ersten Blick das Schwarmverhalten ganz eindrucksvoll zu simulieren. Das Boids-Modell ging von der Interaktion einzelner Agenten oder »Boids« aus. Diese Boids waren so programmiert, dass sie sich gemäß dreier einfacher Regeln verhielten:
Steure so, dass du vermeidest, deinen Nachbarn zu nahe zu kommen.
Steure in der mittleren Richtung, die deine Nachbarn einschlagen.
Steure so, dass du dich auf die mittlere Position deiner Nachbarn zu bewegst.
Nach diesen Regeln verhält sich eine Ansammlung von Boids auf dem Computerbildschirm wie ein Schwarm. Dieses simulierte Verhalten beweist scheinbar, dass das Verhalten des Schwarms als Ganzen das Ergebnis der Interaktionen von Individuen mit ihren Nachbarn nach einfachen Regeln ist und keiner geheimnisvollen Organisationsprinzipien bedarf. Doch während dies auf das Computermodell zutreffen mag, hat es kaum etwas mit dem Verhalten von realen, dreidimensionalen Vogelscharen gemein. Reynolds Boids-Programm ging nicht von Daten über reale Vögel aus, sondern vielmehr von einem Computerprogramm mit zweidimensionalen Modellen, bei denen Nachbareinheiten nach simplen Regeln »interagieren«. Experten für Special Effects haben derartige Programme zur Erzeugung von animierten Schwärmen oder Herden in Filmen wie König der Löwen und Batmans Rückkehr verwendet.
Computermodelle vom Boid-Typ sind nützlich zur Erzeugung zweidimensionaler Animationen, aber biologisch gesehen naiv. Auch wenn das Verhalten von realen Schwärmen noch kaum erforscht ist, weiß man doch inzwischen so viel, um solche Nachbar-Nachbar-Interaktionen auszuschließen, auf denen Boid-Modelle basieren. Versuche, mathematische Modelle zu erstellen, sind mittlerweile viel ausgeklügelter. So kombiniert eine Klasse von Modellen Prinzipien des Magnetismus und der Hydrodynamik. In diesen Modellen ist jeder Vogel wie eine magnetische Domäne in einem Eisenmagneten. Nachbarn beeinflussen einander durch ihre Felder, und der Schwarm als Ganzes hat ein Feld wie ein Magnet. Aber im Unterschied zu einem Magneten ist der Schwarm in Bewegung, polarisiert in einer bestimmten Richtung, und indem man die Prinzipien des Fließens von Fluiden einführt, kann man Modelle mit einigen Merkmalen von Vogelscharen, Fischschwärmen und Tierherden in Bewegung erstellen. [154]
Andere Modelle berücksichtigen, was geschieht, wenn ein paar Angehörige der Schar oder des Schwarms eine bevorzugte
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