Der siebte Turm 01 - Sturz in die Dunkelheit
werden.
Der Turm drehte sich über ihm, als Tal mit den Schneeflocken und den Sonnensteinen hinabstürzte. Der Wind packte zu und riss den Jungen, den Schnee und die Sonnensteine weiter hinaus, zu weit, um auf einem der tieferen Netze zu landen.
Als er auf den Schleier traf, wurde alles dunkel. Auch um seinen Verstand wurde es schwarz, dunkel vor Angst. Er hatte noch einen winzigen Augenblick, bevor er ohnmächtig wurde – genug Zeit, um durch den Schleier zu fallen und die glitzernden Lichter des Schlosses weit weg, dort unten, zu sehen.
Und Zeit für einen einzigen Gedanken.
Wie konnte ich nur auf die Idee komnen, einen Sonnenstein zu stehlen?
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ZUVOR
KAPITEL EINS
Tals Suche nach einem neuen Sonnenstein hatte an dem Tag begonnen, an dem sein Vater verschwunden war. Acht Tage später würde ihn diese Suche zum Roten Turm, zu den Netzen und zum furchtbaren Geistschatten fuhren.
Sein Leben als Erwählter hatte sich an einem Tag verändert, der zunächst wie jeder andere begonnen hatte. Doch dann war er während des Unterrichts aus dem Lektorium geholt worden und Lektor Roum höchstselbst hatte die schicksalhaften Worte zu ihm gesprochen.
„Dein Vater wird vermisst. Es wird angenommen, dass er tot ist.“
Tal unterdrückt seine Tränen zunächst, doch dann liefen sie seine Wangen herab, als er durch die hellen Korridore und über die Treppe des Orangefarbenen Turms zum Quartier seiner Familie rannte. Er versuchte sie im Laufen abzuwischen, ignorierte die Blicke der anderen Erwählten des Orange-Ordens und die verstohlene Neugier der Untervölkler. Es durfte einfach nicht wahr sein.
Tal wollte nicht glauben, dass sein Vater tot war. Er wurde vielleicht vermisst, aber das war nicht dasselbe. Lektor Roum hatte Tal keine Details nennen können. Man wusste nur, dass Rerem von einer Mission für die Imperatorin nicht zurückgekehrt war; einer Mission weit unten in den dunklen Höhlen unter dem Schloss.
Er konnte sich dort unten verlaufen haben, dachte Tal und stellte sich seinen stämmigen, kräftigen Vater vor, wie er in der Dunkelheit gefangen war. Aber er würde einen Weg zurück finden. Er liebte Tal, dessen Bruder und Schwester. Man würde ihn nicht töten können, er war zu stark.
Tal blieb vor der Tür stehen. Das Siegel, das daran prangte, zeigte eine orangefarbene Sthil-Bestie, die über einen siebenzackigen Stern sprang. Tal trocknete sich die Augen gründlich ab. Jetzt war er das Oberhaupt seiner Familie. Er durfte sich ihnen nicht als weinenden Jungen zeigen, sondern als jungen Erwählten, der stark genug war, ihnen zu helfen. Das hatte ihm sein Vater gesagt, bevor er aufgebrochen war.
„Tal, du musst dich um deine Mutter kümmern, wenn ich weg bin. Und um Gref und Kusi. Ich verlasse mich auf dich.“
Hatte er gewusst, wie lange er weg sein würde? Hatte er wissen können, wie viel diese Worte Tal jetzt bedeuteten?
Tal holte ein paar Mal tief Luft und betrat dann die Unterkunft seiner Familie. Im Vorraum nahm ihm ein Diener aus dem Untervolk die Schul-Tunika ab und half ihm in die fließende, orangefarben schimmernde Robe, die Tal zu Hause trug. Tal nahm kaum Notiz von dem Umstand, dass es ein neuer Diener war – und ein ziemlich ungeschickter noch dazu.
Die Untervölkler wurden den Familien vom Hilfs-Lumenor des Orange-Ordens zugeteilt. Aus unerfindlichen Gründen waren ihre Diener immer wieder durch schlechtere ausgetauscht worden, nachdem Tals Vater zu seiner rätselhaften Mission aufgebrochen war.
Tals Mutter Graile war dort, wo sie schon seit ein paar Monaten war – im Bett. Sie hatte eine unbekannte, zehrende Krankheit, die sich der Magie und den Heilkünsten der Erwählten entzog.
Da nur Licht und Wärme ihr halfen, hatte man ihr Bett in die Sonnenkammer der Familie gestellt. In diesem Raum war jeder Quadratzentimeter der Wände und der Decke mit winzigen Sonnensteinen bedeckt. Dort war es immer hell und sehr warm. Zusätzlich zu den Sonnensteinen besaß die Kammer einen Dampfeinlass, durch den sie mit heißer, feuchter Luft aus den zentralen Heizteichen des Schlosses erwärmt wurde.
Tal eilte geradewegs zu seiner Mutter. Er ging dabei so schnell durch das Vorzimmer, dass die drei Leute dort keine Zeit hatten aufzustehen und ihn zu grüßen – oder gar wütend werden konnten, weil Tal es versäumt hatte, sich vor den Älteren zu verneigen und ihnen Licht von seinem Sonnenstein zu schenken.
Tal war klar, dass sie sich später
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