Der siebte Turm 04 - Jenseits der Grenze
Bruder.
Jarnil redete weiter und führte sie zu der nächst gelegenen Hütte. Überraschenderweise führte hinter der Tür eine Treppe hinunter in einen bequemen, von Sonnensteinen beleuchteten Kellerraum, viel größer als die Hütte darüber. Ein dicker roter Teppich in der Mitte des Raumes war umgeben von niedrigen, weiß-goldenen Kissen. Jarnil setzte sich und bedeutete den anderen, sich ebenfalls zu setzen. Alle kamen der Aufforderung nach – außer Ebbitt, der außerhalb des Kreises umher ging. Die Geistschatten schwebten an die Decke und umkreisten den dort angebrachten Sonnenstein.
„Wo war ich?“, fuhr Jarnil fort. „In den Krügen dort ist Süßwasser. Bedient euch. Ah ja. Es gab schon immer Erwählte, die der Meinung waren, dass sich das Untervolk gar nicht von ihnen unterscheidet – abgesehen von ihrer Geburt. Weshalb sollte man ihnen das Wissen über Sonnenstein-Magie und Aenir vorenthalten? Wir nennen uns die Gleichgestellten des Lichts. Ähnlich wie bei uns gab es schon immer Untervölkler, die den Umstand in Frage stellten, dass sie Diener der Erwählten sind. Obwohl sich ihre Ziele, nun ja, etwas unterscheiden, nennen sie alle sich das Freivolk. Zusammen hoffen wir, die Dinge derart verändern zu können, dass ein fähiger Untervölkler zu den Roten aufsteigen und ein Erwählter werden kann.“
„Aber Ihr werdet dennoch Eure Thralls haben“, sagte Milla. Die Art wie sie es betonte, zeigte, dass sie nicht viel von den Gleichgestellten des Lichts hielt.
„Thralls?“, fragte Jarnil.
„Sklaven“, gab Milla zurück.
„Nein, nein“, sagte Jarnil. „Du verstehst nicht. Wir können nicht alles ändern. Veränderungen müssen langsam vor sich gehen. Wir sind der Imperatorin immer noch ergeben. Alles, was wir wollen, ist, das Untervolk auszubilden und sie zu prüfen. Diejenigen, die das Potenzial haben, um Erwählte zu werden, steigen auf. Dann können sie ihren Aufstieg bis zu den Violetten beginnen.“
Tal schüttelte den Kopf. Das klang alles wie die Theorie eines Lektors, keineswegs aber praktisch. Ihm war schon jetzt klar, dass das nicht funktionieren würde.
„Weshalb brachte man Euch in den Saal der Albträume?“, fragte er.
Jarnil hustete und er errötete leicht.
„Ich habe… äh… zwei schwere Fehler bei einer Entscheidungsfindung gemacht“, sagte er schnell. „Es gestaltete sich schwierig und langwierig, Mitglieder für die Gleichgestellten des Lichts unter den Erwählten zu finden, also hatte ich Kontakt mit ein paar isolierten Gruppen von Freivölklern in den unteren Ebenen aufgenommen. Ich beschloss, meinen Plan über die Beförderung von Untervölklern der Imperatorin vorzutragen. Mein erster Fehler war, dass ich meinen Plan in allen Details dem Dunklen Vizier erzählte. Er nahm nämlich mein erstes Ersuchen nach einer Audienz mit Ihrer Majestät auf. Man gewährte mir eine Audienz für den nächsten Tag, aber noch in derselben Nacht wurde ich abgeholt…“
Seine Hände zuckten plötzlich noch mehr und er hatte Schwierigkeiten, der Worte Herr zu werden.
„Zum Saal der Albträume.“
„Der Dunkle Vizier?“, fragte Tal. Davon hatte er noch niemals gehört. „Wer ist das?“
„Was bringen sie euch heutzutage im Lektorium denn bei? Der Dunkle und der Helle Vizier dienen schon seit jeher der Imperatorin, einer am Tag und einer bei Nacht. Der Helle Vizier ist traditionell für Zeremonien und Feiern zuständig, während der Dunkle Vizier sich um weniger erfreuliche Dinge kümmert – solche, die man am besten ungesehen in der Dunkelheit geschehen lässt. Die Identität des Dunklen Viziers wurde immer geheim gehalten. Er oder sie lebt in der Verkleidung eines Erwählten niedrigeren Ranges, bekleidet in Wirklichkeit jedoch den höchsten Rang im Violetten Orden. Wie es die Tradition verlangt, traf ich den Dunklen Vizier in einem Raum, in dem ich in brillantestem Licht und er in Dunkelheit stand. Dort machte ich meinen zweiten Fehler…“
„Und der war?“, fragte Tal, als Jarnil innehielt und in die Ferne starrte.
„Ich habe mich noch einmal umgesehen, als ich ging“, sagte Jarnil. „Der Dunkle Vizier war unachtsam. Er kam halb aus dem Schatten und das Licht fiel auf sein Gesicht. Ich erkannte ihn und war so dumm, es zu zeigen.“
„Wer war es?“, fragte Tal.
„Ich glaube, das weißt du sehr gut“, sagte Jarnil. „Jemand, der im Namen der Imperatorin spricht, der ihre Garde kommandiert, der andere Erwählte nach seinem Willen handeln lässt und all das
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