Der siebte Turm 04 - Jenseits der Grenze
ohne das Wissen Ihrer Majestät.“
„Sushin!“, stieß Tal hervor. „Aber weshalb macht er das? Was will er denn erreichen?“
„Gute Frage“, kam Ebbitt dazwischen. „Sehr gute Frage. Wenn du die Antwort gefunden hast, lass es mich wissen.“
„Wir kennen Sushins Motive nicht“, sagte Jarnil. „Oder zumindest nicht alle. Aber er arbeitet offensichtlich seit vielen Jahren auf ein böses Ziel hin. Ich glaubte einst, ihn gut zu kennen. Doch seit meinem ,Verschwinden’ wurde er eigenartig und veränderte sich immer mehr. Er ist jetzt anders, als er früher war.“
„Er ist kein Mensch“, sagte Milla. Ihr war plötzlich wieder das Bild des lachenden Sushin eingefallen, der das Merwin-Horn-Schwert in seiner Brust stecken hatte. „Ich glaube, dass ein Geistschatten in seinem Fleisch lebt. Ein alter Schatten, der den längst vergangenen Krieg zwischen Eurer Welt und Aenir nicht vergessen hat. Ein Schatten, der den Schleier senken und die Dunkelheit abschaffen will, die uns beschützt. Dessen bin ich mir sicher und ich werde es den Cronen berichten. Was die Eiscarls tun müssen, das werden sie tun. Ich muss zurück aufs Eis.“
KAPITEL ELF
Millas Worte wurde schweigend zur Kenntnis genommen. Doch es war eher ein ungläubiges Schweigen als ein schockiertes. Jarnil lächelte sogar ein wenig – es war dasselbe Lächeln, das Tal bei Lektoren gesehen hatte, wenn ein Schüler eine besonders dumme Antwort im Lektorium gegeben hatte.
Tal öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch es kamen keine Worte heraus. Etwas in ihm wollte protestieren und verkünden, dass Milla verrückt war und keine Ahnung von dem hatte, was sie da sagte. Die andere Hälfte wollte schreien: „Hört auf sie!“
Was sie sagte, machte tatsächlich Sinn. Vielleicht hatte Zicka, die Echse aus Aenir, tatsächlich die Wahrheit über einen alten Krieg zwischen den Aenirern und den Völkern der Dunkelwelt gesagt – Eiscarls und Erwählte. Irgendetwas geschah tatsächlich mit dem Schleier. Es war etwas, in das Tals Vater als Wächter des Orangefarbenen Schlüsselsteins verwickelt war. Aber was für ein Wächter war das? Wozu waren Schlüsselsteine da?
Tal wollte gerade eine Frage zu diesem Thema stellen, als ihm etwas anderes auffiel.
Jarnil hatte einen natürlichen Schatten. Sein Geistschatten war verschwunden.
„Euer Geistschatten!“, keuchte Tal. Seine Frage hatte er schon wieder vergessen. „Was ist damit geschehen?“
Jarnil sah nach unten. Sein Schatten gab die Bewegung genau wieder, besser als jeder Geistschatten es hätte tun können. Kein Geistschatten war so flexibel, nur die Schattenwächter der Kinder.
„Ich weiß es nicht“, sagte er. Der Schmerz des Verlustes stand ihm klar ins Gesicht geschrieben. „Ich glaube, man hat ihn irgendwie gezwungen, meinen normalen Schatten zurückzugeben, der den Geistschatten an mich band. Dann wurde er umgebracht oder nach Aenir zurückgebracht oder…“
„Oder er musste auf Sushins Schiff anheuern“, unterbrach Ebbitt seine Vermutungen düster. „Oder Fashneks.“
„Das fürchte ich auch“, sagte Jarnil. „Fashnek hatte sicherlich mehr als seinen eigenen Geistschatten, um ihm zu helfen.“
„Sofern ich es mitbekommen haben, hat er drei weitere“, sagte Milla. „Plus den einen, den er am Leib trägt. Ihr Erwählten habt diese Schatten hereingelassen. Sie werden den Schleier zerstören und die Sonne hereinlassen. Ich muss all das baldmöglichst den Cronen mitteilen. Wer wird mich zu den Heizungstunnels führen?“
„Alles zu seiner Zeit, alles zu seiner Zeit“, gab Jarnil sofort zurück. „Lass uns zuerst unser Wissen austauschen. Was soll dieses Gerede über eine Zerstörung des Schleiers?“
„Besoffene reden, Krieger handeln“, sagte Milla verächtlich. Sie stand auf und sah die Freivölkler böse an. „Ich weiß, was zu tun ist.“
„Ja, ja“, sagte Jarnil. „Gill wird dich führen. Haben wir genügend Lufttang?“
Die letzte Frage war an das Freivölkler-Mädchen gerichtet. Sie nickte und zeigte auf ein Bündel des eigenartigen Seetangs, das an ihrem Gürtel befestigt war.
„Die anderen haben noch mehr“, sagte sie. „Und es gibt noch sechs Fässer, die wir später abholen können.“
„Lufttang?“, fragte Milla. „Wofür?“
„Wie der Name schon sagt“, erklärte Gill und zeigte auf eines der Blätter, die aussahen wie Blasen. „Lufttang für Luft. Sie enthalten Luft. Man kann mit dem Messer ein kleines Loch hineinstechen und
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