Der siebte Turm 04 - Jenseits der Grenze
Schlüsselsteins“, sagte Lokar. „Zumindest sind wahrscheinlich noch andere Schlüsselsteine verschlossen. Rerem könnte es wissen. Hat er euch geschickt?“
„Nein“, sagte Tal. Seine Kehle war plötzlich staubtrocken. „Wir nehmen an, dass er wie Ihr gefangen ist. Im Orangefarbenen Schlüsselstein. Wie… ich meine… wie seid Ihr da hinein gekommen?“
„Die Schlüsselsteine sind an den Schleier und die Wächter an die Schlüsselsteine gebunden“, erklärte Lokar. „Ich kam her, um den Schlüsselstein neu einzustellen, was jedes Jahr getan werden muss. Ich habe ihn geöffnet, doch irgendwie wurde mir mein Sonnenstein abgenommen, als ich hinein ging. Ohne meinen eigenen Stein gab es keinen Weg mehr heraus und ich konnte den Schlüsselstein von innen nicht wieder verschließen.“
„Wer nahm Euch Euren Sonnenstein weg?“, fragte Crow.
„Ich weiß es nicht“, gab Lokar zurück. „Jemand, der die Barrieren und die Glocken des Turms überwinden kann. Jemand mit altertümlichen Kenntnissen, jemand, der sich wirklich in Lichtmagie auskennt.“
„Der Dunkle Vizier?“, fragte Tal. „Sushin?“
„Sushin ist der Dunkle Vizier?“, fragte Lokar offensichtlich konsterniert. „Das hätte ich nicht gedacht… die Imperatorin würde doch niemanden wie ihn dazu berufen… Was ist denn im Schloss los?“
„Wir haben keine Zeit, darüber zu reden“, unterbrach Crow die Frage. „Kann ich den Schlüsselstein hier wegbringen?“
„Ja“, sagte Lokar. „Aber er muss hier bleiben, um den Schleier mit Energie zu versorgen. Er könnte verloren gehen oder außerhalb des Schlosses zerstört werden. Lasst ihn hier und sucht meinen Sonnenstein.“
„Ich nehme keine Anweisungen von Erwählten entgegen“, sagte Crow. Er verlagerte wieder sein Gewicht und griff zwischen den silbernen Hände nach dem Schlüsselstein.
„Nein!“, rief Tal. „Lass ihn dort!“
Crow ignorierte ihn. Als er den Schlüsselstein anhob, öffneten sich die silbernen Hände mit den Handflächen nach oben.
Crow verlor die Balance. Er hielt sich verzweifelt mit den Knien an dem Pyramidenstumpf fest und versuchte gleichzeitig den Schlüsselstein festzuhalten.
Er schaffte es nicht. Ein Fuß rutschte ab und kam hart auf einer roten Kachel auf.
Tal sah es kommen und sprang zu dem Ast, der die entsprechende Glocke hielt. Oder zumindest dachte er das. Aber es war der falsche Ast und als Tal das Seil festhielt, klingelte eine andere Glocke eine halbe Spanne entfernt.
Die Glocke läutete in einem unharmonischen Klang, der von den Wänden des Raumes zurückhallte. Dann begann die nächste Glocke zu läuten. Und die nächste. Innerhalb weniger Sekunden läutete jede einzelne Glocke in dem Baum wie wild – bis auf die eine, die Tal fest im Griff hatte.
Er ließ sie los, hielt sich mit den Händen an dem Ast fest, ließ sich fallen und sprang hinunter. Crow lief mit dem Schlüsselstein in der Hand bereits zu dem Laufsteg. Tal folgte ihm. Sie würden so schnell wie möglich hinunterklettern müssen, bevor wer auch immer, der durch die Glocken alarmiert worden war, die Treppe hoch kam.
Adras hatte offensichtlich geschlafen, als sie hinausstürmten. Der Geistschatten lag auf dem Boden des Laufstegs wie eine dicke Decke aus Schattennebel. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er sich wieder zusammengezogen hatte.
„Was ist denn los?“, donnerte er.
Tal ignorierte ihn und lief zum Geländer, um darüber hinweg zu klettern. Crow war schon dort, doch er hatte innegehalten und starrte nach unten.
Tal blickte ebenfalls hinab.
Sein Herz setzte für drei Schläge aus.
Licht drang aus jedem einzelnen Fenster, helle Strahlen aus Licht, das sich in alle Richtungen ausbreitete. Es wurde heller und heller, während er hinsah – Sonnensteine im Turm aktivierten sich.
Es war nicht das Licht, das Tal Angst machte.
Es waren die Schatten.
Hunderte von Geistschatten strömten aus den Fenstern. Alle Arten von Geistschatten, alle Sorten von aenirischen Bestien. Die meisten von ihnen waren Kreaturen, die Tal noch nie außerhalb des Beastmaker-Spiels gesehen hatte – und sie waren sicherlich nicht die Begleiter von irgendwelchen Erwählten.
Tal glaubte seinen Augen nicht. Der Rote Turm beherbergte freie Schatten, aenirische Kreaturen, die nicht da sein sollten. Doch sie waren da.
Und jetzt schwärmten sie nach oben, um dem Ruf der läutenden Glocken zu folgen.
„Adras!“, rief Tal. Er war bereit, dem Geistschatten zu befehlen, sie aufzunehmen und
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