Der siebte Turm 06 - Der violette Sonnenstein
hielten sie inne und starrten nur noch.
Ihnen schräg gegenüber befanden sich zwei gewaltige Türflügel, die ein Tor mit rundem Bogen bildeten. Sie bestanden aus uraltem goldenen Metall und waren über und über mit winzigen Sonnensteinen besetzt, die in den schillerndsten Farben leuchteten; Licht in den Farben des Regenbogens leuchtete ständig auf der Oberfläche der Türen.
Beide Türen waren halb offen. Doch weder die Sonnenstein-bedeckten Türen, noch die Tatsache, dass sie offen waren, konnten Tal und Crow aufhalten.
Vor den Türen lagen zahllose Leichen von Erwählten auf dem Boden. Mehr als ein Dutzend, auch Erwählte in violetten Roben und Wachen. Es gab keinerlei Anzeichen von Geistschatten.
Das letzte Echo des Klingeins verstummte schließlich und der silberne Spiegel blieb still liegen.
„Sushin war schon hier“, sagte Crow.
Tal nickte und wandte seinen Blick ab. Er sah die Große Parade entlang. Hier war er noch nie zuvor gewesen, obwohl er schon einmal auf den Violetten Ebenen gewesen war. Die Große Parade machte ihrem Namen alle Ehre, denn sie war ein gebogener, breiter Korridor, der sich viele Spannen in alle Richtungen erstreckte, bis er sich außer Sichtweite schlängelte.
Es war niemand zu sehen – zumindest niemand Lebendiges. Tal ging zu den Toten, um sie sich anzuschauen. Sie hatten alle einen eher überraschten als erschrockenen Gesichtsausdruck. Keiner von ihnen hatte einen Sonnenstein in der Hand oder sonst irgendwo sichtbar am Körper. Die Schwerter der Imperialen Gardisten steckten noch immer in den Scheiden. Außerdem gab es keinen sichtbaren Hinweis auf die Todesursache. Keine Wunden, keine Verbrennungen oder andere Zeichen fataler Lichtmagie.
„Ich frage mich, wer sie wohl getötet hat“, murmelte Tal, während er zwischen den Leichen umherging. Crow ging dicht neben ihm her und beide hielten ihre Sonnensteine in den Händen bereit. „Und wie sie getötet wurden.“
Eine Bewegung in der Nähe eines der Türflügel ließ sie erschrocken herumfahren. Rotes Licht blitzte an ihren Sonnensteinen auf. Eine der Gardistinnen saß mit dem Rücken zur Wand. Sie war offensichtlich nicht tot, denn sie hatte ihre Hand bewegt.
Tal erkannte sie. Es war Ethar, ein weiblicher Schattenlord der Violetten und eine hohe Offizierin der Imperialen Garde. Ihre Hand zuckte noch einmal und Tal bemerkte, dass sie versuchte, ihn zu sich zu winken.
„Wer ist da?“, flüsterte die Frau und hob ihre Hand dabei ein wenig. Ihre Augen starrten ins Leere. Tal zuckte erschrocken zusammen, als ihm klar wurde, dass sie blind war.
„Tal Graile-Rerem“, sagte er und stieg über eine der Leichen, um näher zu kommen. Er hielt sich noch immer für einen plötzlichen Angriff bereit, wenn er auch nicht glaubte, dass er kommen würde. Zumindest nicht von Ethar. Ihr Gesicht war so bleich wie die toten Erwählten und er wusste, dass sie nicht mehr lange leben würde.
Ein Lächeln kam kurz über Ethars Lippen.
„Der Beastmaker-Junge“, sagte sie und musste sofort husten. Mit dem Husten kam ein Schwall hellroten Blutes aus ihrem Mundwinkel. „Du hast gut gespielt.“
„Hat Sushin all dies angerichtet?“, fragte Tal. „Ist er in den Audienzsaal gegangen?“
Ethar antwortete nicht sofort. Ihre Brust hob sich und noch mehr Blut lief aus ihrem Mund. Dann sagte sie: „Ja und ja. Wir haben protestiert, denn obwohl er der Dunkle Vizier ist, hatte er kein Recht, die Türen zu öffnen… Er zeigte uns den Violetten Schlüsselstein und befahl uns zu schweigen. Er sagte, er wäre der Imperator und wir müssten seinem Willen Folge leisten. Doch trotz des Schlüsselsteins muss die Hohe Zusammenkunft entscheiden und wir sagten ihm… dass er nicht passieren dürfte.“
Sie hielt inne und Tal wartete, bis sie stockend Atem geholt hatte.
„Dann blendete er uns mit dem Schlüsselstein und sprach in der Dunkelheit Worte, die unsere Geistschatten sofort zu Fall brachten. Ich spürte, wie mein Kerukar verschwand und beinahe wäre ich ihm gefolgt. Doch es kam nicht so. Die Pflicht… es ist meine Pflicht… Du musst ihn aufhalten, Tal, denn er darf nicht der Imperator sein… er darf nicht der…“
„Ich werde ihn aufhalten, wenn ich kann“, sagte Tal.
„Ich möchte dich um einen kleinen Gefallen bitten, bevor du gehst“, flüsterte Ethar. „Von einem Spieler zum anderen. Beende dieses Spiel.“
„Was… was meinst du damit?“, fragte Tal, doch er wusste, was sie meinte.
„Einen Roten Strahl“,
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