Der siebte Turm 06 - Der violette Sonnenstein
kommen mussten. Sie mussten Adras und Odris finden, die dort irgendwo im Sterben lagen. Dann mussten sie in die Dunkelwelt zurückkehren und den Schleier reparieren oder wieder aufbauen und sich auf Sharrakors Invasion vorbereiten…
Milla folgte den Worten, ohne an etwas anderes zu denken. Die Farben und Worte waren alles, was jetzt noch zählte. Sie musste überleben. Ihr Volk vertraute ihr. Sie hatte bereits versagt und den Schleier nicht retten können. Sie musste überleben, um ihr Versagen rückgängig zu machen…
Malen schloss das Gebet von Asteyr ab. Doch sie spürte, dass es nicht erfolgreich gewesen war. Sharrakor musste nach Aenir geflohen sein, um dem Zauberspruch zu entgehen. Er lauerte nicht unsichtbar in dem Saal.
Malen sah, wie Crow neben Tal und Milla saß, die sich an ihn anlehnten. Vielfarbige Lichtbogen bildeten sich um die kleine Gruppe. Sie sah Sushin tot oder sterbend neben der Pyramide. Jetzt, da der Schatten aus ihm geflohen war, floss auch Blut aus seinem Körper.
Dann sah sie einen kleinen Lichtblitz an der Spitze des Pyramidenstumpfs. Er war vollkommen dunkel gewesen, doch jetzt leuchtete ein kleines, schwaches Licht an seiner Oberseite. Malen beobachtete es und wartete, ob sich das Licht ausbreiten würde. Doch nur die Spitze leuchtete.
Als sie hinter sich ein Geräusch hörte, wirbelte sie herum, plötzlich verängstigt. Sie war mit einem Mal allein, eine Crone, die von ihren Müttern und Schwestern abgeschnitten war und keine Schildjungfrauen zu ihrem Schutz hatte.
Doch es war Ebbitt, der keuchend und schnaufend die Rampe hochkam. Er sah Malen, die ihn mit wildem Blick anstarrte und dahinter Sushin, die fast vollkommen dunkle Pyramide und das von Regenbogenfarben umgebene Trio Crow, Tal und Milla.
„Was ist passiert?“
Malen zitterte und war außerstande, etwas zu sagen. Die Worte blieben ihr im Halse stecken. Ebbitt lief an ihr vorbei und warf einen erneuten Blick auf die Drei. Sie waren offensichtlich nach Aenir übergetreten. Dann kniete er sich neben Sushin und ließ seinen Sonnenstein in heilender Magie aufleuchten. Ebbitts Geistschatten schnüffelte an Sushin und ging dann hinüber zu der Stelle, an der Adras und Odris seinen stacheligen Geistschatten zerrissen hatten.
„Er… er hatte einen Schatten in sich“, sprudelte es aus Malen hervor. „Sharrakor. Einen Drachen. Er ließ Adras und Odris verschwinden und Tal und Milla fielen zu Boden. Wir haben es gesehen, Crow setzte Lichtmagie ein und ich versuchte es mit dem Gebet von Asteyr, doch Sharrakor sagte, dass der Schleier zerstört wäre und er wieder zurückkommen würde…“
„Der Schleier ist nicht zerstört“, sagte Ebbitt scharf. „Er ist nur an den Rändern durchlässig geworden.“ Von seiner üblichen Verwirrtheit war nichts mehr zu spüren. „Der Rote Schlüsselstein wird ihn aufrecht erhalten, zumindest eine Weile. Aber vielleicht nicht so stark wie sonst. Was sagte Sharrakor über seine Rückkehr?“
„Er sagte, er würde zurückkommen und den Krieg zu Ende führen“, berichtete Malen. „Oh, ich muss… muss Bericht erstatten…“
Sie stellte sich aufrecht hin und legte die Hände an den Kopf. Doch je mehr sie versuchte, die anderen Cronen zu erreichen, desto stärker hörte sie Sharrakors furchtbare Stimme und die Drohung, dass er sie finden würde…
„Das wird dir helfen“, sagte Ebbitt.
Sushin öffnete die Augen. „Danke, aber das wird nicht…“, begann er, doch er hielt inne und ein Ausdruck völliger Verwirrung kam über sein Gesicht. „Wo bin ich? Wer bist du?“
„Ruh dich jetzt aus“, sagte Ebbitt. „Du hattest einen Unfall.“
„Ich war in Aenir“, sagte Sushin. „Und habe mit Julper Yen-Baren gefrühstückt. Er wollte mir helfen, nach Gelb aufzusteigen…“
Er hielt einen Moment inne.
„Ich habe geträumt“, sagte er dann. „Einen furchtbaren Traum. Mein Kopf wurde geöffnet und ein Fremder stieg hinein…“
Seine Stimme wurde immer schriller, während er sprach, bis sie hysterisch klang. Ebbitt hob schnell seinen Sonnenstein und grünes Licht fiel auf Sushins Gesicht. Die Augen des Erwählten schlossen sich und er hing wieder schlaff an der Pyramide.
„Ich weiß nicht, was gnädiger wäre: Ihm beim Überleben oder beim Sterben zu helfen“, sagte Ebbitt. „Ich glaube, dass hier wie so oft das Schicksal entscheiden wird. Stell dir nur vor, deine letzte Erinnerung ist ein Frühstück mit Julper Yen-Baren! Vor mehr als dreißig Jahren! Und ich bin mir
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