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Der Sieg nach dem Krieg

Der Sieg nach dem Krieg

Titel: Der Sieg nach dem Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Manche mußten bleiben. Während die Beamten sie überprüften, blieb das Fenster nicht ungenutzt.
    Vielleicht weil er vom letzten Fest noch verschlafen war, tat Freund Peter das Vernünftigste. Er saß in einer Ecke und wartete, ob jemand etwas von ihm wolle. Maria entging seine Ruhe nicht. Sie mogelte sich näher und eh er’s richtig wahrnahm, steckte sie ihm etwas in das an den Seiten offene Hosentürl. Darauf sprang auch sie aus dem Fenster. Ein Beamter hechtete ihr nach, und es war zu hören, daß er sie erwischte.
    Zwar wunderte sich Peter, kam indes nicht dazu, hinter die Federkielstickerei seiner Hosenklappe zu tasten, Ort und Zeitpunkt erschienen ihm auch nicht unbedingt günstig. Er fühlte nur den Druck eines apfelgrossen Gegenstandes auf seinen Unterbrauch.
    Die Kundschaft hatte sich im wahrsten Sinne des Wortes verflüchtigt oder war, nach Aufnahme der Personalien, entlassen worden. Nur eine Putzfrau fegte unbeeindruckt in einer Ecke Staub zusammen, da endlich wandten sich die Beamten dem unverdächtig Dasitzenden zu. Obwohl er keine Ausweispapiere bei sich trug, glaubten sie ihm, daß er Student und von Maria als Gefälligkeitsdolmetscher gerufen worden sei. An dem positiven Eindruck mochte auch die Lederhose beteiligt sein, die ihm eine burschenhafte Frische verlieh und sich neben den versteckreichen Mänteln der Schwarzhändler und illegalen Kunden übersichtlich ausnahm. Was konnte man in den kleinen Taschen verstecken? Was hinterm Hosentürl, wo es unten gleich wieder herausfallen mußte? Daß die Klappe sich stark wölbte, hing mit dem Schnitt und der Dicke des Leders zusammen. Sie tat es auch, wenn nichts dahinter war.
    »Sie können geh’n«, entschied einer der Beamten.
    Der Freigesprochene stand auf. Geistesgegenwärtig schob er sofort eine Hand in die Tasche, um den mysteriösen Apfel am freien Fall zu hindern.
    »Moment noch !« hielt ihn ein anderer Beamter auf. »Kommen Sie mal mit .« Und er drängte Freund Peter ins angrenzende Badezimmer.
    Was hatte das zu bedeuten? Sollte das sein provisorisches Gefängnis werden? Wollte er eine Leibesvisitation vornehmen?
    Die Badewanne war mit gelblich-weißen Päckchen gefüllt, — gut ein Zentner Butter.
    »Sie haben doch sicher ihre Marken abgegeben ?« fuhr der Beamte fort und deutete auf die Wanne. »Nehmen Sie sich ein Pfund Butter mit .«

    Maria war und blieb verschwunden. Wir mußten uns anderweitig und weniger preisgünstig versorgen. Erst nach ungefähr vier Wochen berichtete Freund Peter, sie sei wieder da. Trotz der Wanne voll Butter hatte man ihr, mangels Einnahmen, keine unmittelbare Beteiligung am Schwarzhandel nachweisen können. Sie sei mit einem schwarzhandelnden Schwarzen befreundet, hatte sie erklärt. Wenn man sie festhalte, werde der hellhörig und lasse sich nicht mehr blicken. Es gab ausreichend Zeugen, die bestätigen konnten, Negersoldaten bei ihr angetroffen zu haben.
    Wir freuten uns für Maria und für uns. Daß sie mit der Ausrede so glimpflich weggekommen war, verdankte sie nicht allein ihrer Schläue. Peter hatte den mysteriösen Apfel aufgehoben und ihr zurückgegeben: eine Kugel aus kleineren und größeren Scheinen, insgesamt 120000 Mark.

Ein Jeep fährt vor

    E s war ein nasser Sommer. Von Mitte Juni bis Mitte Juli regnete es nahezu pausenlos.
    »Wenigstens staubt’s beim Schutträumen net so .« sagten die Münchner. Überall fuhren Schuttbahnen durch die Stadt. Trotz katastrophaler Raumnot ging die Beschlagnahme von Häusern und Wohnungen weiter. Wer sich darüber genauer informieren wollte, bekam für zwanzig Reichsmark den Wohnungsplan der Militärregierung auf dem Schwarzen Markt. Die Sieger hatten sich vom notwendigen zum unnötigen Übel entwickelt.
    In der stehengebliebenen Villa einer bekannten Münchner Familie sollte eine Party steigen. Das Haus war bis unters Dach mit Sippe vollgestopft, doch die Altvorderen zeigten Verständnis. Für eine schlaflose Nacht rückten sie noch enger zusammen, damit wir toben konnten.
    In seiner Rolle als Gastgeber hatte sich der Junior des Hauses bereits eine Woche davor auf Suche nach Alkoholischem begeben. Ein Bekannter von ihm kannte einen angehenden Juristen, der einen Ingenieur kannte, der über einen Apotheker einen Orthopäden an der Hand hatte, dessen Schwägerin Schlüssel zu einem Labor besaß. Da er selbst über ein ehemaliges Kindermädchen im Tausch gegen einen Küchenherd, Rübenzucker und verfaultes Obst hatte organisieren können, durften die Gäste

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