Der Sieg nach dem Krieg
abkühlten.
Ich zog die Stirn unter dem Wasserhahn vor und schaute. Hinter uns, auf dem Rand der Wanne stand eine durchsichtige dickbauchige Flasche voller Badesalz.
»Yardley !« hauchte ich das fast vergessene Wort. »Schließ ab !«
Das Badezimmer hatte zwei Türen. Ich nahm die andere. Unter Plätschern zogen wir uns aus. Ein Bad, ein duftendes obendrein, ein randvoll heißes Bad, endlich mal wieder! Unser Entschluß stand fest, obwohl wir uns erst an diesem Abend kennengelernt hatten. Dem unwiderstehlichen Reiz zu erliegen, zog kleinere Reize nach sich. Wir nahmen reichlich aus der dicken Flasche — reichlich nehmen, schon das ein Genuß — aalten uns und schrubbten einander.
Die Wonne zog sich. Auch weil der graue Rand, den wir in der Wanne hinterlassen hatten, nicht auf Anhieb verschwinden wollte. Mit den Handballen rubbelten wir dünne Würstchen, wie bei einem weichen Radiergummi. Endlich zurück in der Diele, tanzten wir stillvergnügt mit Kurs aufs Buffet, Freunde schnupperten.
»Nach was riecht ihr denn ?«
Stumm deuteten wir zum Badezimmer. Open the door Richard , ein vielgesungener Schlager mit rhythmischen Klopfzeichen, wurde in dieser Nacht a capella und öfter als üblich gehört. Danach floß kein warmes Wasser mehr, bei der bauchigen Flasche erinnerte lediglich das Etikett an den Inhalt. Für die Besatzer, wären sie nüchtern gewesen, ein Grund, uns rauszuwerfen. Doch sie fielen aus oder hatten sich in andere Wohnungen zurückgezogen. Unser unfreiwilliger Bademeister ward nicht mehr gesehen und nie mehr gehört.
Als wir im hellen Morgen zweistimmig Sentimental Journey summend nach Hause schlurften, drehten sich Passanten um. Wir dufteten wie trunkene Sieger.
Vogelfrei
M ein Domizil lag, einen Steinwurf vom Englischen Garten entfernt, in Schwabing und bestand genau genommen aus zwei Häusern. Das eine im Grünen zwischen Häuserzeilen — hier wohnten die Eltern meines Schulfreundes und die meisten Mitglieder unserer Großfamilie. Das andere, an der Straße gelegen, war ein Dreifamilienhaus. Im Parterre hauste der Schulfreund, von mir persönlich unterkellert, im ersten Stock eine alte Dame in Lila, Besitzerin zweier echter Möpse mit chinesischen Namen, Sui und Tai, die sie unverkennbar sächsisch aussprach, sowie eine Gräfin unterm Dach.
An einem strahlenden Morgen drängten alle nach der üblichen Kaltwasserwäsche in die wärmende Sonne. Wir frühstückten im Garten, säbelten von unseren gekerbten Broten herunter und sprachen kauend über subtilere Gaumenscherze. Mein schlecht geführtes Regiebuch unter den Arm geklemmt, wollte ich mich auf den Fußweg zur Probe im Theater machen, als ich vor dem Dreifamilienhaus einen Jeep mit Amerikanern in Uniform Vorfahren sah und dahinter einen zweiten. Auch ihm entstiegen Militärpersonen in ähnlichen Uniformen, jedoch mit seltsamen Mützen. Die obere Hälfte über Schirm, Kokarde und Kordel war nicht rund, vielmehr quadratisch oder sechseckig. Mit ernsten Mienen und einsatzmäßiger Eile strebten alle auf das Haus zu. Nichts Positives ahnend, hatte ich schleunigst kehrt gemacht und warnte. Kurz darauf klingelte es im Parterre. Die Frau meines Schulfreundes öffnete.
»Das ist eine Besichtigung. Bleiben Sie in Ihren Zimmern !« , sagte in der Diele einer der Uniformierten, auf deutsch mit viel Akzent. Wir sahen einander an, während der Sprecher in einer anderen Sprache Konsonanten häufte, bis zwei der Uniformierten nickten. Die restlichen vier flitzten durchs Haus und schauten flüchtig in alle Zimmer. Als sie zurückkamen, wandte sich der Sprecher wieder uns zu. »Das Haus wird für das Polnische Komitee beschlagnahmt. Es muß alles so bleiben wie es ist. An der Einrichtung darf nichts geändert werden. Kleidung und Dinge des persönlichen Bedarfs können sie mitnehmen. Aber keine Teller, Schüsseln, Tassen oder Bestecke. Morgen früh um acht Uhr übernehmen wir das Haus .«
Grußlos, wie sie gekommen waren, verließen sie uns. Haus- und Wohnungstür durften wir ein letztes Mal eigenhändig schließen. War es Schock oder Katastrophenroutine, was uns stumm machte? Ich mußte ins Theater.
Bis ich am frühen Nachmittag zurückkam, hatten sich allerlei Überlegungen breitgemacht. Die Gräfin arbeitete als Dolmetscherin bei der Militärregierung. Es gab damals viele adlige Damen, die für die Amerikaner tätig waren. Nicht alle nur bei Tag. Sie konnte sich erkundigen. Gegen alliierte Willkür von ganz oben aber, reichten ihre Beziehungen
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