Der Siegelring - Roman
der alte Nichtsnutz ja seine Strafe in vollem Maße genossen. Nur fall mir bitte beim nächsten Mal nicht wieder in den Rücken.«
»Ich werde gewiss versuchen, mich zurückzuhalten.«
»Soweit es geht, entnehme ich deiner Formulierung. Ich verspreche dir jedoch, dass du das nächste Mal die Konsequenzen tragen wirst. Nun gut. Kommen wir zu deiner Arbeit zurück. Ich werde Charal die entsprechenden Anweisungen geben, alle von dir geforderten Werkstoffe zu beschaffen. Zeig mir, was du sonst noch fertigst.«
Annik bat ihn in den Trockenschuppen, wo die Gefäße standen, die für den nächsten Brand vorgesehen waren.
»Diese hier sind für die Küche, Ursa hat Vorratstöpfe angefordert. Hier sind zwei Pokale für Euren Tisch, sie müssen noch mit Engobe überzogen werden. Das ist die Masse, die die rötliche Färbung bewirkt. Das da sind die Versuche Eurer Tochter, Krüge mit Henkel zu formen.«
»Was unnötig ist zu bemerken. Man sieht den Unterschied. Aber wofür die großen Mengen Becher und Schalen?«
»Ich verkaufe sie auf dem Markt, Dominus. Charal sagte mir, das sei in Ordnung, sofern ich den Ton bezahle.«
»Deine Nebeneinnahme?«
»Meine Einnahme, Dominus. Aber ich verschwende
sie nicht, sondern habe bisher die besonderen Tonqualitäten und die Färbemittel davon bezahlt.«
Valerius Corvus drehte sich zu ihr herum und schaute sie an.
»Verstehe ich richtig, dass du dein Geld für die Tonwaren ausgibst, die du für meinen Haushalt herstellst?«
»Ich habe ziemlich viel ausprobieren müssen, und es hat dabei oft Bruch gegeben, Dominus. Aber ich wäre jetzt, da ich einigermaßen gute Ergebnisse erziele, schon recht froh, wenn Ihr die Kosten übernähmt.«
»Bist du mit deinem Lohn zufrieden, Töpferin Annik?«, fragte er abrupt.
»Ich habe eine angemessene Hütte und bekomme genug zu essen. Zum Jahresanfang hat die Domina mir Stoff für neue Kleider geschenkt.«
»Was sagt dein Sinn für Gerechtigkeit dazu?«
»Was soll er dazu sagen? Ich beklage mich nicht, Dominus.«
»Mein Sinn für Gerechtigkeit scheint durchaus ein anderer zu sein als deiner. Gewöhnlich bezahle ich meinen Handwerkern zusätzlich einen Lohn über Unterkunft und Verpflegung hinaus.«
Er wandte sich zum Ausgang und rief einem der Arbeiter zu, er solle Charal zu ihm schicken.
»Gehen wir in dein Haus hinüber.«
Annik wusch sich die Hände, legte die lehmverschmierte Schürze ab und ging voraus.
»Tretet ein, Dominus. Setzt Euch an den Tisch dort. Ich kann Euch leider nur den Wein anbieten, den ich gewöhnlich trinke.«
»Lass das lieber. Du hast Veränderungen vorgenommen, sehe ich.«
»Ja, ich habe mir einen Herd gebaut und etwas eigenes Geschirr angefertigt. Ich bekomme zwar das Essen aus
der Küche für die Dienerschaft, aber manche Eurer Gerichte wollen mir einfach nicht munden. Darum habe ich mit Ursa abgesprochen, dass ich die Lebensmittel unzubereitet erhalte. Ich koche mir selbst meine Mahlzeiten.«
»Was schmeckt dir denn nicht?«
»Diese vergammelte Fischsoße, das Liquamen!« Annik schüttelte sich bei dem Gedanken an das salzige Gebräu aus vergorenem Fisch. »Überall gießen sie das Zeug drüber. Manche tun es sogar in den Wein. Großer Taranis! Fisch schmeckt frisch aus dem Wasser köstlich. Auch wenn er gesalzen und getrocknet wird oder im Rauch hing. Aber doch nicht verfault!«
Sie bemerkte nicht, dass ihr Hausherr nur mit Mühe ein Lachen unterdrückte bei diesem leidenschaftlich vorgebrachten Abscheu. Er antwortete ihr mit nüchterner Stimme: »Wir beziehen nur das beste Liquamen, direkt aus Rom. Annik. Du bist und bleibst eine Barbarin.«
»Ja, Dominus. So wird es sein.«
Der Verwalter stand an der Tür, und Valerius Corvus winkte ihn herein.
»Charal, wir haben es versäumt, über die Arbeitskonditionen der Töpferin zu sprechen. Ich höre, dass sie keinen Lohn erhält.«
»Es wurde bisher mit Euch nichts vereinbart, Dominus. Soll ich ihr die gleiche Summe zahlen wie dem alten Töpfer?«
»Was erhielt er?«
Charal nannte ihm die Summe, und Valerius Corvus schüttelte den Kopf.
»Sie leistet bessere Arbeit. Sagen wir, ein Drittel mehr. Und beschaff bitte zukünftig all jene Materialien, die sie für ihre Arbeit benötigt.«
»Wie Ihr wünscht, Dominus.« Charal erlaubte sich, Annik ein kleines Zwinkern zu schicken. »Die Töpferin ist seit dem Oktober des vergangenen Jahres bei uns. Ab wann soll der Lohn gezahlt werden?«
»Ab dem ersten Tag. Bist du damit einverstanden, Töpferin
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