Der Siegelring - Roman
Annik?«
»Werde ich ein gutes Geschäft ausschlagen, wenn es mir angeboten wird? Nur regelt bitte auch, was mit den Waren geschehen soll, die ich auf dem Markt verkaufe.«
»Vorrang hat die Arbeit für meinen Haushalt, dass das klar ist!«
»Natürlich. Bisher habe ich ungefähr ein Drittel meiner Tonwaren verkauft.«
»Dann zahlst du ein Drittel des Erlöses für Ton und Brennstoff an Charal zurück. Den Rest kannst du für dich verwenden.«
»Das ist angemessen, Dominus.«
»Halte die Vereinbarung fest, Charal. Wir überprüfen sie am Ende des Jahres. Gibt es sonst noch etwas, was geregelt werden muss, Töpferin?«
»Ja, Dominus. Erwan, der Ofensetzer, ist alt, und manche Tätigkeiten fallen ihm schwer. Es wäre gut, wenn er einen Helfer hätte, den er anlernen könnte.«
»Außerdem ist er ein fauler Saufaus, der seine Zeit lieber beim Würfelspiel verbringt als bei der Arbeit.«
»Ihr füttert ihn durch, Dominus. Ich habe nur übernommen, was ich vorfand. Aber er kennt sich auf seinem Gebiet aus, und das ist viel wert.«
Valerius Corvus’ zerschlagenes Gesicht zeigte ein schiefes Lächeln.
»Ja, ich füttere auch ihn durch. Wer sollte deiner Meinung nach sein Gehilfe werden?«
»Ilan, der Stallbursche, scheint recht anstellig zu sein.«
»Richtig, darum wird er bei den Pferden gebraucht.«
»Er kann dort weiter seinen Aufgaben nachkommen, aber wenn ich brenne, könnte er dabei sein und lernen.«
»Einverstanden. Charal, sieh darauf!«
»Ja, Dominus.«
»Noch etwas, Töpferin?«
Annik, die bisher sehr sachlich geblieben war, lächelte den Hausherrn bei einem plötzlichen Gedanken an.
»Ich wünschte, Ihr würdet Eurer Tochter erlauben, sich bei mir hin und wieder aufzuhalten. Sie interessiert sich für die Töpferei, aber sie - mmh - scheint manchmal ihre Stunden zu schwänzen, um herzukommen.«
»Meine Tochter wird zu einer Patrizierin erzogen, nicht zu einer Töpferin!«
»Ach? Schließt das eine das andere aus? Ulpia Rosinas Ansehen scheint es nicht zu schaden, dass sie sich mit einem Handwerk beschäftigt.«
Ein grimmiger Blick war die Antwort.
»Misch dich nicht in Dinge ein, die dich nichts angehen, Barbarin!«
»Wie Ihr wünscht, Dominus!«
Der Hausherr und der Verwalter erhoben sich. Charal verabschiedete sich mit einer knappen Verbeugung, doch Valerius Corvus blieb noch einen Moment in der Tür stehen. Er betrachtete Annik schweigend.
»Falco hat eine verdammt gute Meinung von dir.«
Er drehte sich abrupt um und ging, nur leicht gestützt auf seinen Stock.
Annik legte das Kinn in die Hände und versank in Gedanken. Ihr Bild von Valerius Corvus hatte sich inzwischen abgerundet. Da war jene erste Begegnung, die nicht so glücklich verlaufen war, manche kleinen Beobachtungen, wie die Arbeiter und Pächter ihm begegneten, Bemerkungen von Gratia, die ihren Vater trotz seiner kurz angebundenen Art sehr zu lieben schien, Rosinas
verschrecktes Verhalten und jetzt seine Handhabung ihrer Forderungen. Sie lächelte. Irgendwie erinnerte er sie an ihren Vater. Wenn auch die beiden Männer völlig unterschiedlich waren, gab es eine gewisse Verbindung. Briag der Schwarze war ein Polterer gewesen, ein untersetzter, oft prahlerischer Mann, der gutes, reichhaltiges Essen liebte und seine Gäste verschwenderisch bewirtete, derbe Witze riss und herzhaft über jeden Schabernack, manchmal auch den bösartigen, seiner Leute lachen konnte. Kam ihm aber jemand in die Quere, konnte er kurz und hart reagieren. Dennoch wurde er von jedermann geachtet, von vielen sogar geliebt. Er hatte die seltene Art, den anderen sein Gesicht wahren zu lassen, selbst wenn er ihn bestrafen musste. Und ganz versteckt und unter vielen rauen Gesten verborgen, hatte Annik gewusst, dass er gütig und großzügig war. Sie hatte ihn geliebt und war hinter ihm hergelaufen wie Gratia hinter Valerius Corvus. Und sie hatte viel von ihm gelernt.
16. Kapitel
Katzentatzen
Der Sommer war heiß und trocken gewesen, doch mit Ende August kamen kräftige Gewitter auf, die die Bauern zur Eile antrieben, um die Ernte rechtzeitig einzubringen. Ein heftiger Sturm hatte einen Teil der Ziegel vom Haupthaus abgedeckt. Sie waren auf dem Boden zerschlagen. Darum war Anniks dringendste Aufgabe in jenen Tagen das Fertigen neuer Dachziegel. Sie hatte bereits eine ganze Lage geformt und zum Trocknen auf den Boden vor der Werkstatt in die Sonne gelegt. Sie beaufsichtigte gerade das Abladen einer neuen Fuhre Ziegelton, als ein grelles Kreischen und
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