Der Siegelring - Roman
möglicherweise wieder häufiger sehen.«
»Kann sein. Ich traf ihn vor drei Tagen. Wir haben ein paar Becher Met miteinander getrunken.«
»Und du hast ihn nach Neuigkeiten ausgehorcht?«
»Natürlich. Und auch nach dir. Aber da klappt er immer
ganz schnell den Mund zu. Egal, wie viel Met er getrunken hat.« Cullen lächelte sie an. »Er ist erstaunlich loyal in diesen Dingen.«
»Das sollte er auch. Ich hoffe, er ist es Falco und seinen anderen Befehlshabern gegenüber ebenfalls.«
»Er bemüht sich.«
»Aber du erfährst dennoch von ihm, was du wissen willst.«
Cullens Augen funkelten.
»Eine Kohorte mit Nachschub aus Rom ist eingetroffen, manche von ihnen haben das Lager verfehlt.«
»Sie irren jetzt im Wald umher und müssen sich von Beeren und Pilzen ernähren, nehme ich an.«
»Es wird ihnen zu tieferen Einsichten verhelfen, meinst du nicht? Du selbst hast ja auch viel gelernt bei deinen Streifzügen durch den Wald.«
»O ja, Cullen, das habe ich. Und glaube nicht, dass ich alles, was ich gesehen und erlebt habe, gutheiße.«
Annik hatte ihn, nachdem Rosina in die Irre geführt worden war, sehr ernst zur Rede gestellt. Cullen hatte nicht geleugnet, dass Leute seines Stammes an dieser Aktion beteiligt gewesen waren. Sie hatte ihn darum gebeten - mehr, wusste sie, konnte sie nicht tun -, die Angehörigen des Haushaltes von derartigen Streichen zu verschonen. Er hatte es ihr nicht versprochen, sondern nur stumm zugehört. Aber zumindest waren bisher keine weiteren Dinge dieser Art geschehen.
»Nein, du findest nicht alles gut, was im Wald geschieht. Aber findest du alles richtig, was die Römer tun? Ihre Tributforderungen, die Zwangsrekrutierung der jungen Männer, die Inbesitznahme des Landes, das Abholzen unserer Wälder, damit sie ihre Befestigungen bauen können …?«
Annik seufzte.
»Können wir es ändern?«
»Vielleicht.«
»Ich weiß nicht, Cullen. Ich habe gelernt, dass man friedlich mit ihnen zusammenleben kann. Sie sind nicht so schwarz, wie du sie malst. Sie lassen euch eure Götter, eure Bräuche, eure Höfe. Sie kaufen eure Waren, beschäftigen eure Handwerker, ihr reist auf ihren Straßen, was sehr bequem ist, und trinkt ihren Wein.«
»Den Wein halte ich ihnen zugute, einverstanden. Und wahrscheinlich hast du Recht damit, dass wir nicht viel ändern können. Du hast dich damit abgefunden. Aber einige von uns können das nicht, und die Ohnmacht macht wütend, verstehst du.«
»Ja, ich verstehe das. Aber Gewalt zeugt wieder Gewalt, und ihr könnt froh sein, dass bislang noch keine Vergeltungsmaßnahmen ergriffen worden sind. Praefect Falco ist ein besonnener Mann.«
Cullen setzte die rote Katze achtsam auf den Boden und stand auf.
»Ich muss gehen, Annik. Und - ach ja, Valerius Corvus wird zum Fest des Jupiter herkommen, um die Opfer zu bringen. Dieses Jahr wirst du sicher daran teilnehmen. Berichte mir über die römischen Riten. Sie interessieren mich.«
»Ich frage dich jetzt besser nicht, woher du das weißt.«
»Richtig. Mach es gut, Annik.«
Cullen trat auf sie zu und strich ihr vorsichtig über die unverletzte Wange.
»Du bist so schön.«
»Geh, Cullen.«
»Natürlich.«
17. Kapitel
Ein Bad und ein Fest
Cullen behielt natürlich Recht. Die Iden des Septembers brachten Valerius Corvus zurück zum Gut. Gratia kam aufgeregt in die Töpferei gerannt und berichtete Annik, dass ein Fest stattfinden würde, an dem auch sie teilnehmen solle.
»Ulpia Rosina hat meinen Vater darum gebeten, und er hat gesagt, er ist einverstanden, wenn du dich benimmst.«
»Wie soll ich mich denn seiner Meinung nach benehmen, Gratia?«
Das Mädchen kicherte.
»Barbarisch!«
»Dann ersäuft er mich in der Pferdetränke!«
»Oder opfert Jupiter deinen Zopf.«
»So grausame Riten habt ihr?«
»Ach, nein, nein, eigentlich nicht. Du brauchst keine Angst zu haben. Außerdem glaube ich, weißt du ganz gut, wie du dich zu benehmen hast. Bei den Riten musst du nur still sein. Anschließend gibt es ein Gelage mit wunderbarem Essen, und ich werde das erste Mal eine Frauenstola tragen. Vater hat mir eine aus der Colonia mitgebracht. In Safrangelb, mit einer gestickten Borte. Was ziehst du an?«
»Die Auswahl wird mir schwer fallen, bei den zwei Gewändern, die ich habe!«
»Das blaue steht dir besonders gut, Annik. Wenn du willst, borge ich dir ein paar goldbestickte Bänder dazu.«
»Dann will ich das blaue anziehen, wenn ich dir darin gefalle. Und die Bänder nehme ich
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