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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Rauchschwaden durch das Lararium. Es herrschte andächtige Stille, kaum eine Bewegung war zu spüren. Annik fiel allerdings auf, dass Ursa neben ihr nervös die Hände bewegte. Es irritierte sie ein wenig, doch dann wurde sie von der Haushälterin abgelenkt. Der Pater familias drehte sich zu den Anwesenden um, und das Licht der Öllampen beleuchtete sein Gesicht unter dem verhüllenden Tuch der Toga. Er hatte Annik seine unversehrte Seite zugewendet, und es durchfuhr sie wie ein schmerzhafter Stich. Hätte das Schwert ihn nicht getroffen, Valerius Corvus wäre ein schöner Mann gewesen.
    Noch einmal hob er die Hände, um Jupiter, Juno und Minerva zu ehren, sprach abschließende Worte, zog den Stoff tiefer über sein Gesicht und drehte sich dem Altar zu.
    Leise und mit gesenkten Blicken verließen die Teilnehmer des Rituals den Raum. Annik, die ziemlich weit
hinten gestanden hatte, blieb, bis alle, auch der Hausherr, gegangen waren. Und so fand sie den kleinen, zerdrückten Eibenzweig, der auf dem Boden lag. Sie bückte sich danach, und ein unbehagliches Gefühl beschlich sie. Die Eibe war ein magischer Baum für sie, wahrscheinlich auch für andere. Er diente der Bannung und dem Schutz. War es Ursa gewesen, die ihn in der Hand gehalten hatte? Sie erinnerte sich an deren nervöse Handbewegungen. Warum hatte die Haushälterin es für nötig gefunden, sich bei einer Zeremonie zu Ehren der römischen Götter mit einem Eibenzweig zu schützen? Einen Moment lang betrachtete sie unschlüssig den Zweig mit den roten, giftigen Beeren. Dann zog sie resolut die Palla über ihren Kopf und trat vor den Altar, auf dem die Glut im Kohlebecken noch immer kirschrot leuchtete. Mit einigen vertrauten Worten ihrer eigenen Sprache legte sie das Ästchen auf die Kohlen, und als der Rauch aufstieg, bat sie die Götter, die ihren und die des Hauses, Ärger und Bedrohung abzuwenden und das Unheil zu bannen. Denn das war die Aufgabe der Eibe, wie sie sie kannte.
    »Annik, das darfst du nicht!«, flüsterte es scharf hinter ihr. Gratia war zurückgekehrt, wohl um sie zu holen.
    »Doch, Gratia, das darf ich.«
    Im Halbdunkel starrte das Mädchen sie an.
    »Dann bist du doch eine Priesterin?«
    »Nein, aber es gibt einfache Gebete, die jeder sprechen kann, und einfache Handlungen, um den Segen auf ein Haus zu ziehen. Ich bin dankbar, Gratia, dass ich hier sein kann. Und darum habe ich mit den Göttern gesprochen.«
    »Oh... Ja, wenn das so ist, dann wird das wohl in Ordnung sein. Aber jetzt komm, das Essen ist aufgetragen.«
    Es waren eine Reihe von Gästen anwesend, die sich im
Wohnraum und im angrenzenden Esszimmer versammelt hatten. Die Geachtetsten unter ihnen lagen auf den Klinen und hatten Tischchen mit Speisen und Getränken vor sich, andere suchten sich ihren Platz auf den langen Bänken und Tischen, die für sie aufgestellt worden waren. Charal hatte Annik einen Platz freigehalten, und sie nahm dankbar neben ihm Platz. Die Stimmung war inzwischen weit entfernt von der ernsten Andacht, es wurde lebhaft geschwatzt, gegessen und getrunken. Annik beteiligte sich dennoch wenig an den Gesprächen und Scherzen. Sie beobachtete lieber die Gäste. Falco war gekommen, begleitet von zwei anderen Männern von eindeutig militärischem Gebaren, auch wenn sie die Toga trugen. Rosina unterhielt sich mit einigen Frauen, deren hochelegante Kleidung die Städterinnen auswiesen und die zu gewichtig auftretenden Herren gehörten. Gratia, stolz in ihrer neuen Stola, versuchte sich ebenfalls in erwachsener Konversation.
    Das Essen, vor allem aber der Wein, dunkel, schwer und stark gewürzt, lockerte die Zungen mehr und mehr. Man stand auf, wandelte umher, neue Gruppen fanden sich zu Gesprächen. Und so kam auch Falco nach einiger Zeit zu Annik. Sie grüßte ihn freundlich, und er erkundigte sich nach ihrem Leben in der Villa.
    »Du siehst, ich bin im Haus gelitten. Die Domina ist mir wohl gesonnen.«
    »Sie ist eine einsame Frau, Corvus verbringt viel Zeit in der Colonia.«
    »Du meinst, sonst würde ich mich ihrer Gunst nicht erfreuen?«
    »Das wollte ich damit nicht gesagt haben. Du hast deinen eigenen Wert. Im Übrigen hörte ich, dass du ihr im Sommer einen Dienst erwiesen hast.«
    »Darüber sollte nicht gesprochen werden, Falco.«

    »Keine Sorge, sie hat es mir selbst erzählt. Aber ich will dich warnen, Annik. Die Wälder sind gefährlich.«
    »Für wen, Falco?«
    Valerius Corvus und Rosina waren dazugestoßen, er nickte Annik zu, unterbrach die

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