Der Sieger bleibt allein (German Edition)
besser. Die Zeiten sind vorbei, in denen Werbung für männliche Luxusprodukte mit hübschen Models gemacht wurde. Das hat Ende der 1980er Jahre, in der Zeit der Yuppies, gut funktioniert, aber inzwischen längst nicht mehr. Im Gegensatz zur Frau hat der Mann keine festgelegte Schönheitsnorm: Er möchte in den Produkten, die er kauft, etwas finden, was ihn an seinen Kollegen im Büro oder seinen Kumpel beim Trinken erinnert.
Hamid hörte Jasmines Namen zum ersten Mal von Freunden in Verbindung mit der Bemerkung: ›Sie wäre das richtige Gesicht für Ihre Kollektion.‹ Dieselben Freunde sagten auch: ›Sie hat ein außergewöhnliches Charisma, und dennoch können sich alle in ihr wiedererkennen.‹ Im Gegensatz zu dem, was die Models der C-Klasse glauben, die hinter Kontakten und Männern her sind, die von sich behaupten, mächtig zu sein und in der Lage, einen Star aus ihnen zu machen, ist in der Welt der Mode – wie vermutlich in allen anderen Welten auch – die beste Empfehlung die durch Leute aus der Branche. So kommt es, dass der Wert eines Models beispielsweise, wenn es kurz vor seiner Entdeckung steht, häufig steigt, ohne dass es dafür eine logische Erklärung gibt. Manchmal klappt es. Manchmal klappt es nicht. Aber so ist der Markt nun einmal, man kann nicht immer gewinnen.
Der Saal beginnt sich zu füllen – die Plätze in der ersten Reihe sind reserviert, eine Gruppe von Männern im Anzug und elegant gekleideten Frauen hat einige Stühle besetzt, die andern bleiben vorläufig leer. Das gewöhnliche Publikum sitzt in der zweiten, dritten und vierten Reihe. Ein berühmtes, mit einem Fußballspieler verheiratetes Model, das schon viele Reisen nach Brasilien gemacht hat, weil sie »das Land so liebt«, steht jetzt im Zentrum des Interesses der Fotografen. Jeder weiß, dass ›Reisen nach Brasilien‹ ein Synonym für Schönheitsoperationen ist, aber niemand wagt, das offen auszusprechen. Dennoch wird, wenn man sich besser kennt, irgendwann diskret gefragt, ob es abgesehen von einem Besuch der Sehenswürdigkeiten von Salvador und Sambatanzen im Karneval von Rio dort auch erfahrene Schönheitschirurgen gibt. Eine Visitenkarte wechselt den Besitzer, und dann wird nicht weiter darüber geredet.
Die freundliche blonde junge Event-Assistentin wartet, bis die Presseleute ihre Arbeit gemacht haben (sie fragen auch das Model, welches der beste Film war, den sie bislang gesehen hat), dann führt sie das Model zum inzwischen einzigen freien Platz, neben Hamid und Ewa. Die Fotografen kommen und machen zig Fotos von den dreien – dem großen Modedesigner, von seiner Ehefrau und dem inzwischen Hausfrau gewordenen Model.
Ein paar Journalisten wollen wissen, was Hamid über die Arbeit der belgischen Modedesignerin denkt. Hamid, der diese Art Fragen bereits gewohnt ist, antwortet routiniert:
»Ich bin gekommen, um ihre Arbeit kennenzulernen. Ich habe gehört, sie soll phantastisch sein.«
Die Journalisten lassen nicht locker, als hätten sie die Antwort nicht gehört. Sie sind fast alle Belgier – die französische Presse hat bislang noch kein Interesse an ihr gezeigt –, und die blonde Event-Assistentin bittet sie, die Gäste in Ruhe zu lassen.
Die Presseleute ziehen sich zurück. Das Exmodel, das sich neben Hamid gesetzt hat, sagt, sie liebe seine Arbeit. Er bedankt sich höflich für das Kompliment. Wenn sie gehofft hat, er würde sagen, ›wir müssen nach der Modenschau miteinander reden‹, wird sie jetzt enttäuscht sein. Dennoch fängt sie an, aus ihrem Leben zu erzählen – von Foto-Shootings, Partys, Auslandsengagements.
Hamid hört ihr geduldig zu, aber bei der erstbesten Gelegenheit (sie hat sich gerade umgedreht, um mit jemand anderem ein paar Worte zu wechseln) wendet er sich an Ewa und bittet sie, ihn vor diesem schwachsinnigen Monolog zu retten. Doch seine Frau wendet sich wortlos von ihm ab. Da bleibt ihm keine andere Wahl, als so zu tun, als würde er sich in das Faltblatt zur Modenschau vertiefen.
Die Kollektion ist eine Hommage an Ann Salens, Pionierin der belgischen Mode. Sie hatte Ende der 1960er Jahre mit einer kleinen Boutique angefangen und bald das Potential erkannt, das in Amsterdam mit seiner internationalen Hippieszene und der von ihr propagierten Art, sich zu kleiden, steckte. Sie schaffte es, dem zurückhaltenden, ernsten Stil, der damals in der bürgerlichen Welt angesagt war, etwas entgegenzusetzen, und am Ende trugen Ikonen wie Königin Paola oder die große Muse des
Weitere Kostenlose Bücher