Der Sieger bleibt allein (German Edition)
Märchen. Eltern und Partner, die immer sagten, so etwas gebe es nicht, hatten nicht immer recht. Denn sie sitzt jetzt in einer der vielen Limousinen, die sich langsam, aber unaufhaltsam auf den roten Teppich zubewegen, den größten Laufsteg der Welt.
Der berühmte Filmstar sitzt lächelnd und in einem eleganten Smoking neben ihr. Fragt, ob sie Lampenfieber habe. Selbstverständlich nicht: In schönen Träumen gibt es weder Anspannung noch Nervosität noch mulmige Gefühle noch Angst. Alles ist perfekt, läuft ab wie im Kino – die Heldin leidet, kämpft, aber sie erreicht immer, was sie sich vorgenommen hat.
»Falls Hamid Hussein sich entschließt, das Projekt umzusetzen, und falls der Film so erfolgreich wird, wie er hofft, können Sie auf weitere Augenblicke wie diesen gefasst sein.«
Falls Hamid Hussein sich entschließt, das Projekt umzusetzen? Aber ist denn nicht schon alles abgemacht?
»Ich habe einen Vertrag unterzeichnet, als ich im ›Geschenksalon‹ das Kleid geholt habe.«
»Vergessen Sie, was ich gesagt habe, ich möchte Ihren großen Augenblick nicht zerstören.«
»Bitte reden Sie weiter.«
Der Filmstar hat gewusst, dass das naive Mädchen auf den Vertrag zu sprechen kommen würde, und beeilt sich zu sagen:
»Ich habe schon bei unzähligen Projekten mitgemacht, die irgendwann im Sand verliefen. Das kann immer mal passieren. Aber machen Sie sich jetzt mal bloß keine Sorgen.«
»Aber der Vertrag?«
»Verträge sind etwas für Anwälte, die Geld damit verdienen, indem sie darüber streiten. Vergessen Sie bitte, was ich gesagt habe. Genießen Sie den Augenblick.«
Der »Augenblick« kommt immer näher. Da sie im stockenden Verkehr nur langsam vorankommen, können die Leute am Straßenrand die Auserwählten im Wageninnern trotz der getönten Scheiben sehen. Der Filmstar winkt, Hände klopfen an die Scheiben, Münder flehen, er möge sie doch bitte kurz herunterlassen, für ein Autogramm, ein Foto.
Der berühmte Filmschauspieler winkt, als würde er nicht verstehen, was sie wollen, und ist überzeugt davon, dass ein Lächeln genug sei, um die Welt mit seinem Licht zu erfüllen.
Draußen herrscht wahre Hysterie. Auf Klapphockern sitzen Frauen wahrscheinlich schon seit dem Morgen und stricken; neben ihnen stehen gelangweilte bierbäuchige Männer, die von ihren längst nicht mehr jungen Ehefrauen, die angezogen sind, als würden sie gleich selber den roten Teppich hinaufgehen, dazu verdonnert wurden, sie zu begleiten; und zu ihren Füßen spielen Kinder, die überhaupt nicht begreifen, worum es geht, aber spüren, dass etwas Wichtiges los ist; es gibt Asiaten, Schwarze, Weiße, Menschen allen Alters, durch Eisengitter von der schmalen Fahrspur getrennt, auf der die Limousinen fahren. Und alle möchten glauben, dass sie nur zwei Meter von den großen Mythen des Planeten entfernt sind, während in Wahrheit die Entfernung Hunderttausende von Kilometern beträgt. Denn nicht nur dieses Eisengitter und die getönten Wagenscheiben trennen sie, sondern Glück, Gelegenheit, Talent.
Talent? Aber Gabriela weiß ganz genau, dass sie die Tatsache, hier in der Limousine zu sitzen, nur dem Ergebnis eines Würfelspiels zwischen den Göttern verdankt. Einige haben Glück, die anderen werden auf die andere Seite eines unüberwindlichen Abgrunds gestellt und dürfen applaudieren, verehren oder – wenn sich das Glück ihrer Idole wendet – verurteilen.
Der Filmstar tut so, als würde er sich mit Gabriela unterhalten, tatsächlich aber sagt er nichts, sondern bewegt nur die Lippen, schließlich ist er ein großer Schauspieler. Er machte das nicht zum Spaß. Gabriela versteht sofort, dass er nur nicht unfreundlich zu seinen Fans sein möchte, aber keine Lust mehr hat, zu winken, Lächeln und Luftküsschen zu verteilen.
»Sie werden mich für arrogant, zynisch halten, für jemanden mit einem Herzen aus Stein«, sagt er schließlich. »Wenn Sie einmal dort hinkommen, wo Sie hinkommen möchten, werden Sie begreifen, was ich fühle: Es gibt keinen Ausweg. Der Erfolg macht einen zum Sklaven, und er macht einen süchtig. Und wenn Sie am Ende des Tages wieder einmal mit einer neuen Frau oder einem neuen Mann im Bett liegen, fragen Sie sich: Hat es sich gelohnt? Ist es das, was ich immer wollte?«
Er macht eine Pause.
»Reden Sie weiter.«
»Ich weiß nicht, warum ich Ihnen das alles erzähle.«
»Weil Sie mich beschützen wollen. Weil Sie ein anständiger Mensch sind. Bitte reden Sie weiter.«
Gabriela mag in
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